Unter dem Regiment von Sebastian Kurz hat der altvertraute Begriff "Marionettenregierung" eine interessante Wandlung erfahren. Verstand man darunter bisher eine Regierung, die in mehr oder weniger starker Abhängigkeit und im Interesse von mehr oder weniger dunklen Mächten der Staatsverwaltung oblag, kann man sich nun des Eindrucks nicht mehr erwehren, dass es der Bundeskanzler selber ist, der sich eine Regierung von Marionetten hält, die er, soweit türkis, handverlesen, soweit grün, auf der Basis des Wahlergebnisses für sich zurechtgebogen hat. Wo es um wirklich Wichtiges, nämlich um ihn geht, stützt er sich lieber auf Überwachung durch strenge Medienkontrolle, auf persönliche Berater und Betreiber eines Tanks, dessen Losung "Think Austria" eine Verbindung von Denken und Vaterlandsliebe suggerieren soll. Da das nicht reicht, gibt es auch noch das "Future Operations Clearing Board", weil sich das Coronavirus auf Englisch besser einschüchtern lässt.

Bundeskanzler Sebastian Kurz.
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Es ist das große Verdienst von Frau Antonella Mei-Pochtler, der Öffentlichkeit die Augen für diesen Modus des Regierens geöffnet zu haben, wofür sie, ungerecht, wie die Welt ist, einiges an Kritik einstecken musste. In der Gewissheit, einen Gesundheitsminister übergehen zu können, verlautbarte sie über die "Financial Times", jede Bürgerin, jeder Bürger werde eine App als Werkzeug akzeptieren müssen, geschehe das auch, na wenn schon, "am Rande des demokratischen Modells". Der Bundeskanzler hatte daran inhaltlich nichts auszusetzen, es gab nur ein Gemurmel von "Privatmeinung", aber Hauptsache, die subkutane Botschaft war einmal draußen.

Schönheit der Verfassung

Irgendwie muss man es den Leuten doch beibringen, dazu hat man schließlich Berater. Wenn auf das demokratische Modell der Verfassung verpflichtete Regierungsmitglieder an diesem Modell sichtbar zu knabbern begännen, könnte das Kritiker auf den Plan rufen, spitzfindige Juristen, eventuell sogar den Bundespräsidenten, der erst vor nicht allzu langer Zeit von der Schönheit dieser Verfassung geschwärmt hat und sie daher vermutlich nicht demontiert sehen will.

Ernsthaft dementiert wurde Mei-Pochtlers Privatmeinung aber nicht, im Gesundheitsministerium betrachtete man sie als verfrüht, weshalb man realistischerweise anfangen sollte, Maßnahmen am Rande des demokratischen Modells als Elemente jener vom Kanzler angekündigten neuen Normalität einzukalkulieren. Sie müssen sich nur positiv auf die Meinungsumfragen auswirken.

Wer sollte uns davor bewahren? Erst im Rückblick, versuchte sich der Bundespräsident mit Trost, werde man sehen, dass populistische Führerfiguren ihren Glanz verloren haben, "weil ihre zu simplen Rezepte nicht geeignet sind für diese komplexe Wirklichkeit". Die ganze Komplexität der neuen Normalität wird erst spürbar werden, sobald es um die fällige Aufarbeitung des ökonomischen Desasters im Gefolge der Anti-Corona-Maßnahmen geht.

Rezepte à la Mei-Pochtler werden da nicht helfen. Umso weniger, als die Grünen ihre Marionettenrolle nicht mehr lange beibehalten können, wollen sie überleben. Einmal konnte Werner Kogler eine Vermögenssteuer gerade noch aufschieben. Beim nächsten Mal nimmt ihm niemand mehr ab, er wolle mutig in neue Zeiten schreiten. (Günter Traxler, 7.5.2020)