Doch ist alles, was auch technisch möglich wäre, dafür geeignet, Kinder und Jugendlichen Wissen zu vermitteln?

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In den abgedroschenen Witzen über dicht beschriebene Folien auf Overhead-Projektoren steckt natürlich ein Körnchen Wahrheit: Während außerhalb der Schulen der technologische Fortschritt und die Digitalisierung mit großem Tempo voranschreiten, braucht die Bildung dringend ein Update. Die Coronavirus-Krise und das mühsame Provisorium des Homeschoolings oder der "Lehre auf Distanz" zeigen, wie dringend es ist, die didaktischen Methoden auf Vordermann zu bringen.

Hologramme statt Overheadfolien?

Doch wie könnte digitalisierte Bildung der Zukunft ausschauen? Möglicherweise so: Auf dem Weg zum Unterricht in ihrem fahrerlosen Auto lernt die Architekturstudentin mit ihren Seminarnotizen, die auf die Innenseite der Windschutzscheibe projiziert werden. Währenddessen gestikuliert sie mit ihren Händen, um ein holografisches 3D-Modell ihres Projekts zu formen. Schülerinnen in der Oberstufe lernen derweil Sprachen in einer virtuellen Realität, indem sie durch die Straßen von Paris oder Moskau mit Avataren als Gesprächspartnern herumspazieren.

Das sind Szenarien, die das Sandbox ColLABorative der Southern New Hampshire University ausgearbeitet hat, eine Art Forschungslabor für die Zukunft der Bildung. Hier wird weit in die Zukunft gedacht. Was für den Unterricht zunächst futuristisch und ungewohnt klingen mag, wird in anderen Lebensbereichen längst erprobt.

Müssen jetzt Avatare und Roboter her?

Doch ist alles, was auch technisch möglich wäre, dafür geeignet, Kinder und Jugendlichen Wissen zu vermitteln? Das Provisorium der Corona-Krise lehrt uns vor allem eines: Sowohl Lehrer als auch Schüler schätzen den Präsenzunterricht. Das betont der Schweizer Informatik-Didaktiker Beat Döbeli Honegger vom Institut für Medien und Schule der Pädagogischen Hochschule Schwyz. "Der direkte Austausch der Schüler untereinander und mit der Lehrperson ist eine sehr wertvolle Ressource, die man nicht aufgeben will und sollte. Ganz abgesehen davon, dass die aktuelle Corona-Krise deutlich zeigt, dass die Schule auch eine Betreuungsaufgabe übernimmt, die es Eltern ermöglicht, berufstätig zu sein", so Honegger. Bei älteren Schülern oder Studenten kann man abwägen, wann "Fernlehre" in Zukunft sinnvoll ist.

Automatisierte Mathe-Übungen

Kann aber in einer hochtechnologisierten Zukunft ein Avatar oder ein Roboter die Lehrkraft ersetzen? Schon jetzt gibt es Versuche, etwa in Kindergärten, kleine Roboter einzusetzen, die mit den Kleinsten Fremdsprachen üben oder einfache Lernaufgaben lösen. Digitalisierungsexperte Döbeli Honegger ist skeptisch: Derzeit seien die Hoffnungen, die in die Möglichkeiten solcher Technologien gesetzt werden, überhöht. Einfache Übungen, bei denen der Lösungsraum klar definiert und begrenzt ist – wie etwa im Mathematikunterricht –, lassen sich problemlos automatisieren. Hier spricht auch nichts dagegen, einen Avatar die Erklärung und Überprüfung übernehmen zu lassen.

Auch wenn es in Zeiten des Social Distancing widersprüchlich klingt, die wichtigste Lehre aus der Husch-Pfusch-Digitalisierung ist, dass das Zwischenmenschliche in der Bildung ein wichtiger Faktor bleibt. Digitale Werkzeuge und Medien werden die Aufgabe haben, Lehrenden und Lernenden das Bearbeiten und den Austausch der Inhalte zu erleichtern. Die Mensch-Maschinen-Kommunikation bleibt auch in Zukunft wohl lediglich Mittel zum Zweck. (Olivera Stajić, 9.5.2020)