Corona Recovery in Werbung und Kommunikation: Nana Siebert (DER STANDARD, oben links) moderierte am Donnerstag die Onlinediskussion des Forums Mediaplanung mit Mario Stadler (Erste Bank, unten links), Andreas Weiss (Dentsu Aegis, unten rechts), Joachim Feher (RMS, oben rechts) und Simon Severino (Strategy Sprints, nicht im Bild).

FMP Screenshot

Wie geht es weiter nach den ersten, teils panikartigen Verschiebungen und Stornos von Buchungen nach dem Lockdown mit der Werbung in Österreich, mit Agenturen und Medien? Wie kann die "Corona Recovery" funktionieren, fragte das Forum Mediaplanung am Donnerstagnachmittag. Wie geht es – und wie geht es weiter?

1. Die Verantwortung der Unternehmen

Bei Österreichs größtem Bankkonzern "wurde rasch klar, dass wir als Bank eine besondere Rolle haben – als Provider kritischer Infrastruktur", sagt Mario Stadler, Marketingchef der Erste Bank: "Wir sind über Nacht zu einem kritischen Faktor geworden, der nicht nur auf sein eigenes Business schauen muss, sondern auch darauf, dass die Wirtschaft weiter läuft und das Land weiter funktionieren kann."

Der Schluss: "Wir werben weiter. Es geht darum, als Marke auch in schwierigen Zeiten Position zu beziehen, nicht nur im Sonnenschein. Zweitens können wir etwas beitragen, dass die Wirtschaft nicht total runterrasselt in dem Bereich, indem wir unsere Werbespendings nicht auf null drehen, sondern weiterführen und im Gegenteil da und dort vielleicht noch etwas mehr tun."

Aber was kommuniziert man in dieser Situation? Empathie, Zuversicht, Optimismus, aber nicht losgelöst von den Sorgen und Problemen der Menschen, sagt Stadler. Alle Kommunikationsinhalte müssten überprüft werden: "Jetzt ist nicht die Zeit, über Traumurlaube zu sprechen oder über Traumautos." Und, so Stadler: "Wir müssen informieren – wie ist das jetzt mit den Kreditstundungen und den Überbrückungsfinanzierungen."

2. Die Agenturprognose mit dem blauen Auge

"Covid war ein echtes Erdbeben", sagt Andreas Weiss, CEO von Österreichs zweitgrößter Mediaagenturgruppe Dentsu Aegis, "ganz anders als die Finanzkrise 2008, die einen Sektor betroffen hat. Uns haben erst die ersten Schockwellen getroffen, wir haben noch nicht die vollen Effekte gesehen."

41 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Kurzarbeit oder arbeitslos, "man kann sich ein vehementes Problem auf dem Arbeitsmarkt und dem Konsum ausrechnen, wenn die Unterstützung der Kurzarbeit endet und der Herbst kommt", sagt Weiss.

Die Werbebeobachter von Focus sahen das Bruttowerbevolumen in Österreich gegenüber 2019 um 22 Prozent zurückgehen. Dentsu Aegis schätzt die realen Rückgänge auf 35 bis 40 Prozent in dieser Zeit. In den ersten Tagen beobachtete Weiss "panikartige Handlungen" mit Kürzungen um 60, 70 Prozent, an einem Tag storniert, am nächsten wieder eingebucht, am Tag darauf wieder storniert.

Weiss kann die Reaktionen auf diese "Schockphase" verstehen: "Mit einer solchen Situation war noch niemand von uns konfrontiert, die spanische Grippe hat keiner von uns erlebt."

Und dennoch glaubt er: "Österreich kann mit einem halbwegs blauen Auge davonkommen, wenn wir die Werbeindustrie anschauen. Bis Jahresende werden wir bei ungefähr minus 15 bis 20 Prozent liegen. Das ist irre viel, aber es ist noch ein blaues Auge. Wenn jetzt nicht die zweite Welle kommt. Ich weiß, dass einige Kunden von uns sich auf diese Möglichkeit vorbereiten."

Weiss: "Es wird entscheidend sein, wie sich Unternehmen darauf einstellen, mit welchen Inhalten sie werben. Nehmen sie ihre Gesamtverantwortung wahr, oder warten sie, bis wieder Produktwerbung möglich, opportun und gesellschaftlich akzeptiert ist."

3. Existenzfragen für Medien und kurzfristige Schocks

Joachim Feher führte lange Österreichs größte Mediaagentur Mediacom, inzwischen ist er Geschäftsführer des Privatradiovermarkters RMS. Auch er berichtet von "panikartigen Stornos und Verschiebungen" in den ersten Tagen. Und, trotz anfänglicher Versicherungen der Auftraggeber und Agenturen, von der Erkenntnis: "Viele Wochen später wissen wir: Es wird nicht schlagartig alles wieder eingebucht." "Für Medien kann das existenzgefährdend sein", sagt Feher. Er kenne vor allem die Lage im Privatradiomarkt sehr gut.

Er spricht aber auch von Hoffnung: "Wenn ich höre: Wir halten unsere Investments, wir haben auch eine Verantwortung in Österreich, dann stimmt mich das sehr hoffnungsfroh", nimmt er Stadlers Worte auf.

Und: "Gleichzeitig haben wir alle diesen Digitalisierungsschub erlebt, und wie gut alles funktioniert. Das wird nicht wieder weggehen. Wir haben verschiedenste kreative Businesses gesehen, die sich in Windeseile transformiert haben und ihr Businessmodell neu aufgestellt haben. Wir haben weltweit Regierungen, die Geld in das Wirtschaftssystem pumpen, damit es nicht so weit nach unten geht. Ich glaube auch, es wird noch ein Stück weit nach unten gehen, aber es gibt auch viele Signale, dass das alles auch schnell wieder zu Ende ist. Das ist ein kurzfristiger Schock. Und wir haben vieles in der Hand, viele Möglichkeiten, viele Chancen, dass es nicht so schlimm kommt und eher schnell wieder nach oben geht. Die Menschen haben einen unglaublich hohen Informationsbedarf in dieser Phase der Verunsicherung. Da liegen viele Chancen für jedes Unternehmen, sich zu positionieren und sich einen Vorsprung zu erarbeiten. Als Marke, die dem Konsumenten wieder Sicherheit gibt."

4. Der Berater

Die Keynote zum Recovery-Talk des FMP übernahm Berater Simon Severino (Strategy Sprints). Er rät – sehr grob zusammengefasst – Unternehmen in dieser Krise etwa dazu, sehr rasch zu reagieren und zu adaptieren, sich ganz auf das erfolgversprechendste oder erfolgreichste Angebot oder Produkt zu konzentrieren. Um nicht zu jenen Wettbewerbern im jeweiligen Markt zu gehören, die es nach dieser Krise nicht mehr geben werde. (fid, 8.5.2020)