Begehung des griechischen Unabhängigkeitstags am 25. März in Evros nahe der türkischen Grenze.

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Athen/Ankara – Im Schatten der Corona-Krise zeichnet sich eine Zunahme der Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei ab. Über den ägäischen Inseln spielt sich aktuell ein latenter Nervenkrieg ab. In den vergangenen Tagen lieferten sich griechische und türkische Kampfjets vermehrt Scheinluftgefechte. Die Lage in der Ägäis könnte laut Medienberichten eskalieren.

Griechenland spricht von offener Verletzung des Luftraums durch die türkische Luftwaffe und verteidigt seine eigenen Kampfjet-Einsätze mit der Notwendigkeit, diesen verteidigen und die Grenzen schützen zu müssen. Die Türkei zweifelt ihrerseits den Status der Lufträume über der Ägäis an und versucht, ihn mit Überflügen in Frage zu stellen.

Laufend Zwischenfälle

Ende April waren acht – darunter zwei bewaffnete – Kampfjets in den griechischen Luftraum eingedrungen. Am vergangenen Wochenende hatte ein anderer Zwischenfall für Schlagzeilen und Unruhe gesorgt: Türkische Flugzeuge bedrängten einen Hubschrauber, in dem der griechische Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos und Generalstabschef Konstantinos Floros unterwegs waren. Der Zwischenfall in der Luft ereignete sich nahe der griechischen Kleininsel Inousses, die zwischen Chios und der türkischen Küste liegt. Etwa 20 Kilometer südlich befindet sich die türkische Stadt Cesme. Athen sprach von einer inakzeptablen Aktion seitens der Türkei.

Am Donnerstag der vergangenen Woche kam es auch zu Spannungen auf dem Grenzfluss Evros, wo sich Kommandos der türkischen Gendarmerie in mehreren Schlauchbooten den griechischen Gewässern näherten. Sie feuerten Blendgranaten aufs griechische Ufer ab und gaben mehrere Feuerstöße aus automatischen Waffen ab. Bereits zwei Tage zuvor hatte ein türkischer Grenzsoldat das Feuer auf eine Patrouille der deutschen Bundespolizei eröffnet. Über den Vorfall hatte zuerst das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" unter Berufung auf ein internes Frontex-Papier berichtet.

Athener Regierungskreise bestätigten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland den Zwischenfall, der sich in der Nähe der Ortschaft Tychero ereignete. Bereits im März hatten türkische Kampfjets ein dänisches Aufklärungsflugzeug verfolgt, das im Rahmen eines Frontex-Einsatzes im Grenzgebiet unterwegs war. Die EU-Grenzschutzagentur unterstützt Griechenland seit mehreren Jahren mit technischer Ausrüstung und Patrouillen an der Grenze zur Türkei, um Übertritte irregulärer Migranten zu verhindern.

Keine Einigung über Seegrenze

In einem Fernsehinterview stellte der griechische Außenminister Nikos Dendias fest, dass die "Provokationen der Türkei Ankara selbst nicht helfen" würden, weil die Türkei ihr Ziel, EU-Mitglied zu werden, unter diesen Voraussetzungen nie erreichen könnte. Dendias betonte zudem, dass Griechenland auf Basis des internationalen Rechtes handle.

Griechenland und die Türkei sind zwar offiziell Nato-Verbündete, doch kommt es immer wieder zu Konflikten. Die Feindseligkeiten zwischen Athen und Ankara kulminierten 1974 in der Zypern-Krise, als es nach dem Einmarsch türkischer Truppen in den Nordteil der Insel beinahe zu einem Krieg zwischen den beiden Ländern kam.

Derzeit gibt es in der Ägäis mehrere Streitpunkte. Dutzende kleine und oft unbewohnte Inseln machen die Seegrenze zwischen den beiden Staaten unübersichtlich. In den vergangenen Jahren kam es öfters zu Konfrontationen zwischen türkischen und griechischen Kriegsschiffen. Auch Kampfjets gerieten aneinander. Eine Einigung über die Seegrenzen und die damit verbundene territoriale Zugehörigkeit mancher Felseninseln ist nicht in Sicht. (APA, 8.5.2020)