Ein Großteil Bildender Künstler kämpft derzeit um die Existenz, da ihnen etwa Einnahmen aus Verkäufen über Galerien und somit auch Kunstmessen entgingen. Maßnahmen, die den Handel unterstützen, hätten folglich auch einen positiven Effekt für die "Produzenten" von Kunst.

Foto: viennacontemporary 2019 © Niko Havranek

Die Prognosen der Ökonomen sind deutlich, nicht weniger als die größte weltweite Rezession steht bevor. Eine historische Wirtschaftskrise, die auch die Kultur und Kreativwirtschaft treffen wird, die in der EU mit einem jährlichen Gesamtumsatz von mehr als 500 Milliarden Euro bisher gut vier Prozent des europäischen BIP erwirtschaftete.

Die Angaben stammen aus einer EU-Studie, die 2014 einen wirtschaftlichen Überblick über die Branche vorlegte. Mit teils überraschenden Ergebnissen: Denn direkt oder indirekt beschäftigt sie etwa sieben Millionen Europäer und stelle damit mehr Arbeitsplätze als Automobilhersteller, sei damit der drittgrößte Arbeitgeber in Europa, übertroffen nur vom Bauwesen und der Gastronomie.

Allein der Bereich bildende Kunst erwirtschaftete 127,6 Milliarden Euro (2012), beschäftigte europaweit 1,23 Millionen Personen, knapp 330.000 im Kunsthandel, rund 110.000 in Museen und vergleichbaren Institutionen, sowie mehr als 790.000 Kunstschaffende. So weit das Zahlenfutter, das die wirtschaftliche Relevanz einer vermeintlich kleinen "Nische" belegt.

Insolvenzen & Arbeitslose absehbar

Es ist eine Branche, die wie viele andere auch Unterstützung benötigen wird. Es sei denn, man nehme tausende Insolvenzen und Arbeitslose in Kauf. Hierzulande beläuft sich Anzahl der Handelsunternehmen auf etwa 1100, beziffert Horst Szaal, Obmann des WKO-Landesgremiums Kunst- und Antiquitätenhandel in Wien.

Die Zahl der Beschäftigten liegt inklusive jener der Auktionshäuser bei gut 5500. Freie Dienstnehmer, die zusätzlich für Kunstmessen beschäftigt werden, sind da noch nicht inkludiert, die Rolle als Auftraggeber für unzählige Dienstleister wie Transporteure, Fotografen, Grafiker oder Restauratoren noch nicht berücksichtigt. Sie alle hängen am Napf des Kunsthandels und kämpfen derzeit mit Umsatzausfällen.

Arnulf Rainers "Schleierkreuz" (Schätzpreis 50.000 bis 100.000 Euro), eine Mischtechnik aus dem Jahr 1998, gelangt am 25 Juni bei "im Kinsky" zur Versteigerung. Im Falle einer Deckelung der steuerlichen Absetzbarkeit von beispielsweise 10.000 Euro, könnte der Ankauf unabhängig vom Kaufpreis auch nur bis zu diesem Betrag abgesetzt werden.
Foto: im Kinsky

Zuletzt lag der laut Marktstudien in Österreich erwirtschaftete Umsatz bei mehr als 400 Millionen Euro jährlich. Das ist vorerst Geschichte. Szaals düstere Prognose: Ohne Veranstaltungen im Herbst werden bis zu 40 Prozent der Galerien und Kunsthändler das Jahr geschäftlich nicht überstehen.

Maßnahmen für den Kunstvertrieb

Während man sich auf und abseits der politischen Bühne derzeit (zu Recht!) wortreich für Kunstschaffende starkmacht, wird die Rolle des Kunsthandels paradoxerweise ignoriert. Dabei ist er es, der Kunstwerke auf Messen, in Auktionen oder in den Galerien vermarktet und verkauft, ihnen also laufend Einnahmen sichert. Dazu gehören auch die nach dem Erstverkauf bei weiteren Besitzerwechseln mit Tantiemen vergleichbaren Folgerechtsgebühren, die man für Künstler oder deren Erben generiert.

Was immer den Handel in nächster Zeit ankurbelt, hilft folglich auch den Künstlern. Es gebe Mittel und Wege, beide Akteure des Marktes durch die Krise zu manövrieren. Die steuerliche Absetzbarkeit von Kunstankäufen wäre eine konjunkturbelebende Maßnahme, von der alle Beteiligten profitieren würden.

Ein Modell, das polarisiert. Bei Unternehmern wie Karl-Heinz Essl, Hans Peter Haselsteiner oder auch einer Bawag scheint es legitim (gewesen) zu sein. Bei Privaten reagiert man teils pikiert, nach dem Motto, man könne den Luxus Vermögender nicht auch noch steuerlich fördern. Davon würde ohnedies nur das Establishment der Künstler profitieren, wie aus den Reihen der Grünen 2013 tönte, als die SPÖ diesen Vorschlag in ihrem Wahlprogramm führte. Zur Umsetzung kam es nie, es soll, aufgrund des nicht abschätzbaren Volumens, an den ÖVP-Finanzministern gescheitert sein.

"Bildrecht" fordert Absetzbarkeit

Dieser Tage ist es ein von mehreren Seiten ins Spiel gebrachter Vorschlag. Der Vorstand der Vereinigung bildender Künstlerinnen Wiener Secession setzt sich dafür in einem offenen Brief an Staatssekretärin Ulrike Lunacek ein, und auch die Bildrecht sieht das als Verwertungsgesellschaft bildender Künstler als ein wichtiges Mittel.

Angesichts der ins Haus stehenden Wirtschaftskrise wäre es einen Versuch wert. Wo ein Wille, ergebe sich wohl auch ein Weg: Ein Kunstkauf, der für Privatpersonen im Umfang von zehn Prozent des im Vorjahr versteuerten Einkommens absetzbar wäre. Gemessen an einem Jahresnettoeinkommen von 30.000 Euro ginge es folglich um 3000 Euro. Eine weitere Option wäre eine Deckelung des Absetzbetrages, etwa mit 10.000 oder 20.000 Euro.

Sepp Schellhorn (Neos) plädiert dafür, konkret zur Förderung junger Künstler. Eva Blimlinger, Kultursprecherin der Grünen, kann sich damit höchstens für den Fall von Direktankäufen bei Künstlern anfreunden. Denn es sei ein Irrtum, dass bei einer steuerlichen Absetzbarkeit mehr Leute Kunst kaufen würden, und dass "Künstler davon essenziell profitieren", sei "ein Phantasma", erklärt sie auf Anfrage.

Testlauf und Evaluierung

Bildrecht-Geschäftsführer Günter Schönberger ist anderer Meinung: "Gerade jetzt böte sich die Chance, solche Konzepte mit begleitender Evaluierung" zu überprüfen. Ein Testlauf bis Ende 2022 brächte nachweisbare Ergebnisse, nicht nur Vermutungen. Dem stimmt auch SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda zu, gerade "unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen wäre das ein optimistisches Signal".

Eine Steuerbefreiung von Kunstankäufen und Künstlerhonoraren bis Jahresende 2021 forderten jüngst ebenso die Rektoren der österreichischen öffentlichen Kunstuniversitäten in einem offenen Brief an die Staatssekretärin. Die Absetzbarkeit wäre ein wichtiger Anreiz, um einen desolaten Markt zu beleben und Künstlern zu helfen, ihre Existenzgrundlage zu sichern, ist Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst, überzeugt.

Als der Kfz-Markt in der Wirtschaftskrise in große Bedrängnis geriet, ruft er im Gespräch in Erinnerung, wurde bekanntlich die Verschrottungsprämie erfunden. Eine Maßnahme, die 2009 ausdrücklich den Markt unterstützen sollte und dem Autohandel ein Rekordverkaufsjahr bescherte: Am Ende waren es 30.000 sogenannter "Ökoprämien", für die der Staat fast 23 Millionen Euro springen ließ. Stattlich. (Olga Kronsteiner, 9.5.2020)