Videokonferenzen – ein neues Machtinstrument.

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Hierarchie kommt jetzt bestens verkleidet daher, ganz integrativ im Anschein, sehr demokratisch und auf Augenhöhe in der Videokonferenz. Sogar als persönliche Einladung mit Link – wertschätzender könnte es ja gar nicht sein, oder?

Tatsächlich kann natürlich der Organisator via Klick steuern. Er oder sie kann ja auch einfach nur sprechen und "Interaktion" via Chat zulassen, wobei natürlich darüber entschieden wird, welche Fragen beantwortet werden und was ausgewählt wird.

Hat man früher vielleicht gesagt "Wer fragt, der führt", so ist es jetzt in den virtualisierten Organisationen so, dass der führt, der das Meeting hostet. Nicht nur deswegen, weil er oder sie die Zugänge versendet – apropos "open door policy". Sondern weil es sehr leicht ist, hier einen Stuhl für die Verkündigung zu besetzen. Wer würde als Leader diese Chance auslassen wollen?

Dem spielt in die Hand, dass die Sehnsucht nach Kontakt sehr groß ist. Dem spielt die Deprivation des Menschlichen in die Hand: endlich ein maskenfreies Gesicht! Endlich Orientierung in all diesen unerträglichen Unsicherheiten!

Das Werkzeug des Community-Building, etwa gemeinsame, ins Virtuelle transferierte soziale Riten wie Kaffeepausen oder sogar Weinverkostungen, gibt zusätzlich das Gefühl, dass es da einen oder eine Große gibt, die mich einlädt, wahrnimmt, für mich sorgt. Alles gut und richtig so weit. Allerdings sollte das Bewusstsein dabei sein, dass es für die oder den Organisator immer den Machtklick gibt. Auch wenn Berater gegenwärtig so gerne die tollen Möglichkeiten, den Fortschritt der virtuellen Arbeit loben: Gerade jetzt auf die Macht und ihren Gebrauch zu achten, ist wichtig.