Am Samstag ist Europatag. Am 9. Mai 1950, fast auf den Tag genau fünf Jahre nach der Kapitulation von Nazideutschland, hat das gemeinsame Europa begonnen. Frankreichs Außenminister Robert Schuman schlug Deutschland vor, es nach den Kriegskatastrophen anders zu machen, zusammenzuarbeiten. Man regelte gemeinsam, was fürs Kriegführen wichtig war: Kohle und Stahl.

Am 9. Mai 1950 hat das gemeinsame Europa begonnen.
Foto: imago/Ralph Peters

Das war politisch und gesellschaftlich damals eine ungeheuer mutige und visionäre Tat. Die EU-Integration brachte den Europäern ein sicheres Leben, Freiheit und Frieden. 70 Jahre später droht die Corona-Pandemie vieles zunichtezumachen. Es drängt sich beim Denken an den Urgründungsakt eine entscheidende Frage auf: Wo sind heute Politiker, die ihren Völkern ähnlich mutig den Weg weisen?

In der Nach-Corona-Zeit wird es riesigen Reformbedarf geben. Aber Frankreich und Deutschland inspirieren einander nicht, sind wie gelähmt. Womit die kleineren EU-Staaten gefordert wären. Warum tun sich nicht Österreich und Luxemburg mit den Balten, Irland und Griechenland zusammen und machen Vorschläge, einen gemeinsamen Plan? Bundeskanzler Sebastian Kurz betont oft, dass er ein überzeugter Europäer sei. Aber in größter europäischer Not sucht er global verstreute lockere Partnerschaften, anstatt EU-initiativ zu werden. Kurz und seine türkis-grüne Regierungstruppe schwächeln in Sachen Europa. Schumans Appell war anders: Nicht nur reden. Tun! Möglichst konkret. (Thomas Mayer, 9.5.2020)