Ich bin gespannt, was für Langzeitfolgen die Corona-Quarantäne auf meinen Kochalltag haben wird – eine davon, denke ich, wird mehr Sauerkraut in meinem Leben sein.

Ich gebe zu, es bisher eher ignoriert zu haben. Sauerkraut ist in meinem Kopf zu sehr mit gezuckerter Mehlpampe und gefriergetrocknetem Schweinsbraten im Dorfwirtshaus verbunden, das Wort klingt nach Reformhaus und langen, harten Wintern in Ostpommern.

Sicher, gutes Sauerkraut kann fantastisch sein: es hat aufregende Gär-Grundkomplexität, ordentlich Umami, saftige Säure, und in den richtigen Händen wird mitunter Großes draus (Kollege Corti schwärmt immer noch vom Choucroute marinière, Elsässer Sauerkraut mit allerlei Fisch und Beurre Blanc, das er vor vielen Jahren kochen und genießen durfte).

Im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz, etwa dem hippen Kimchi, schlägt europäisches Sauerkraut halt geschmacklich eher leise Töne an. Sauerkraut dürfte wie so vieles aus dem heutigen China stammen, bereits beim Bau der chinesischen Mauer ist es als Provision für die Arbeiter verbürgt. Mit mongolischen Reitern soll es im frühen Mittelalter im 13. Jahrhundert nach Europa gekommen sein.

Während in Asien mit der Zeit nicht nur jede Menge andere Gemüse mit ins Gärgefäß gefunden haben, sondern auch Köstliches wie Ingwer und Frühlingszwiebel, Früchte und Chili, getrocknete Shrimps, Krebse oder Fischsauce, üben sich Mitteleuropäer in nobler Zurückhaltung: ein bisserl Kümmel, vielleicht ein wenig Wacholder, dann ist meistens Schluss. Nur ganz wenige Wagemutige packen noch Dinge wie Koriandersamen dazu. Das kann im besten Fall vielleicht die feine geschmackliche Klinge sein – viel öfter aber ist es einfach fad.

Glücklicherweise lässt sich das aber bei Bedarf relativ leicht ändern. All die Dinge, die Kimchi so aufregend machen müssen nicht unbedingt mit vergären – sie lassen sich auch wunderbar noch im Nachhinein hinzufügen.

Ich hatte das Glück, sehr früh in meiner Quarantäne ein Care-Paket von der Anna Andert zu bekommen, Bio-Gemüsebäuerin im Seewinkel und große Sauerkraut-Macherin (sie packt neben Kraut, Kümmel und Wacholder etwa noch Quitten und Feigen mit den Gärtopf). Ich habe aus Mangel an Kimchi oder Kimchi-Besorgungsmöglichkeiten ihr ohnehin schon superes Kraut einfach wenig aufgemotzt und für alle möglichen asiatischen Gerichte verwendet.

Ich will nicht behaupten, dass es der Komplexität von richtig gutem Kimchi das Wasser reichen kann – es hat aber großartig funktioniert. Hier daher zwei Pseudo-Kimchi-Gerichte und eines mit klassischem Sauerkraut, die ich alle auch im hoffentlich quarantänefreien Sommer noch gerne und oft essen werde.

Sauerkraut-Pfannkuchen

Knusprig, saftig, scharf, süß und sauer – mehr kann man sich von Mittagessen fast nicht erwarten. Dauert wenige Minuten und ist mit einem Salat und Reis eine vollwertige Mahlzeit. Inspiriert von Kimchijeon, Kimchi Pancakes, und zwar diesem Rezept hier.

  • Sauerkraut
  • Frühlingszwiebel oder Lauch
  • Chili
  • Fischsauce
  • Zucker
  • Mehl
  • Wasser

Zwei Handvoll Sauerkraut und zwei Frühlingszwiebeln grob hacken. Alles mit einem kräftigen Schuss Fischsauce, Sauerkrautsaft, etwas Zucker und ordentlich Chili oder Chilipaste würzen. (Diese hier ist super, aber zugegeben nicht ganz einfach erhältlich). Ein halbes Glas Mehl (handelsübliches 0,33 l) und ein Glas Wasser dazugeben und zu einem Brei mischen.

In einer sehr guten (= nicht klebenden) Pfanne ordentlich Schmalz (oder sonst ein Fett) heiß werden lassen. Sauerkrautteig hineingeben und zu einem gleichmäßigen, etwa fingerdicken Pfannkuchen drücken.

Foto: Tobias Müller

Unter gelegentlichem Rütteln braten, bis die Ränder beginnen, knusprig zu werden und sich der Pfannkuchen in der Pfanne drehen lässt, etwa fünf bis sechs Minuten.

Wie eine Palatschinke schupfend wenden. Noch mehr Schmalz in die Pfanne geben, unter den Pfannkuchen rinnen lassen und weitere drei bis vier Minuten braten. Heiß und knusprig mit Salat und Reis servieren.

Foto: Tobias Müller

Sauerkraut Jjigae oder Szegediner Kimchifleisch

Eine mitteleuropäische Version von Kimchi Jjigea, der koreanischen Resteverwertung von in die Jahre gekommenem Kimchi. Meine Version liegt irgendwo in der Mitte zwischen einem Szegediner Krautfleisch und dem Original. Geht übrigens auch ganz wunderbar mit ausgelöstem Krabbenfleisch statt Schwein.

  • 300 Gramm Schopf oder Schweinsbauch
  • 3, 4 Frühlingszwiebel oder Lauch, schräg in Streifen geschnitten (Pferdeohrschnitt)
  • 1 daumengroßes Stück Ingwer, fein gehackt oder gerieben
  • 2 Knoblauchzehen, fein gehackt oder gerieben
  • ordentlich Chili
  • 1 El Chilipaste
  • 2, 3 Handvoll Sauerkraut
  • ein paar Pilze (Austernseitling, Shiittake, was grad da ist)
  • etwas gewürfelter scharfer Rettich (optional)
  • 1–1,5 Liter Suppe
  • Fischsauce
  • 1 Birne, blättrig geschnitten

Bauch oder Schopf in dünne Scheiben schneiden und in Schmalz in einem Bräter auf beiden Seiten gut anbraten, bis sie schön Farbe genommen haben. Herausnehmen und für später zur Seite legen.

Im gleichen Topf und Fett Ingwer, Frühlingszwiebel bzw. Lauch, Chili, Knoblauch und Chilipaste anbraten. Sauerkraut zugeben und ebenfalls kurz mitbraten. Pilze zugeben, Mit Suppe (gern etwas rauchig von einer Speckschwarte) aufgießen, zum Sieden bringen und bei geschlossenem Deckel etwa 15 Minuten köcheln lassen.

Mit ordentlich Fischsauce würzen. Fleisch zugeben und fünf Minuten sieden lassen, dann die Birne hineingeben und weitere fünf Minuten sieden.

In Schüsseln geben, mit gehackten Frühlingsziebelgrün bestreuen und mit Reis servieren.

Foto: Tobias Müller

Käse-Sauerkraut-Toast (Alpen-Reuben)

Foto: Tobias Müller

Ein kleiner Nachtrag zum vergangenen Gruß aus der Küche. So wie ein Schinken-Käse-Toast, bloß noch besser.

  • Roggenmischbrot
  • Gruyère
  • Sauerkraut
  • Butter

Zwei Scheiben Roggenmischbrot, in ordentlich Butter in einer Pfanne auf einer Seite knusprig braten. Die gebratene Seite eines Toasts mit reichlich geriebenem Gruyère, etwas dünn geschnittenem Vacherin, dann Sauerkraut, dann erneut reichlich geriebenem Gruyere und Vacherin belegen. Mit dem zweiten Toast mit der gebratenen Seite nach unten abschließen.

Erneut reichlich Butter in der Pfanne erhitzen und das Toast auf beiden Seiten darin knusprig braten. Heiß genießen. (Tobias Müller, 8.5.2020)