Über 30.000 Menschen nehmen in Österreich 24-Stunden-Betreuung in Anspruch. Etwa die Hälfte der Betreuerinnen kommt aus Rumänien.

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Zwei Monate war die 24-Stunden-Betreuerin Roxana nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz. Normalerweise pendelt sie alle zwei Wochen zwischen Österreich und ihrem Heimatland Rumänien hin und her, doch die Corona-Krise machte das unmöglich. Wenige Stunden nach ihrem Telefonat mit dem STANDARD ist der Sonderzug aus Temeswar Richtung Wien gestartet – und am Montagmorgen gegen 8 Uhr Früh in Schwechat angekommen. Roxana ist drin gesessen, und darüber ist sie froh, sagt sie: erstens, weil das Geld fehlt, zweitens, weil ihre Kollegin seit Beginn der Krise bei den Klienten die Stellung hält und nun endlich nach Hause kann.

Vor der Ankunft in Schwechat durchquerte der Zug ohne Halt Ungarn, im Burgenland war ein Stopp zur Passkontrolle geplant. Etwa 80 24-Stunden-Betreuerinnen sind darin gesessen. Ursprünglich geplant waren 350. Warum weniger Pflegekräfte als geplant an Bord sind, erklärt man sich bei der Wirtschaftskammer damit, dass die Zeit, in der Buchungen möglich waren, recht knapp war. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) rang bis Donnerstagabend um eine Lösung mit dem rumänischen Transportminister Lucian Bode.

Heute um 8 Uhr kam der Sonderzug in Schwechat an.
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Wer zahlt für die Sonderreise?

Spätestens mit der Corona-Krise und damit einhergehenden Grenzkontrollen wurde die Betreuungsbranche zum Politikum. Als Betreuerinnen, vor allem aus Rumänien, nicht mehr ins Land kamen, weil erst Ungarn seine Grenzregelungen verschärfte und dann Rumänien den Notstand ausrief und keine Pflegekräfte mehr aus dem Land ließ, wurden Stimmen laut, die vor dem Kollaps des Pflegesystems warnten. Bisher blieb er aus, nicht zuletzt, weil Betreuerinnen mit Bonuszahlungen im Land gehalten werden. Und weil sie die Quarantäne im Heimatland fürchten, in Rumänien etwa dürfen sie nicht zu Hause, sondern nur in staatlich organisierte Quartiere gebracht werden.

Doch so viel die Herreise der Betreuerinnen diskutiert wird, so unklar ist, wer für die Kosten ebendieser aufkommt. Das Zugticket kostet 100 Euro und damit das Doppelte von dem, was die ÖBB noch im April als voraussichtlichen Preis ankündigten. Dazu kommen 105 Euro für einen PCR-Test durch ein privates Labor und 74 Euro für die Übernachtung in einem Hotel in Schwechat, bis das Ergebnis vorliegt.

In den auf einer Website der Wirtschaftskammer veröffentlichten Informationen heißt es lediglich, diese müsse die einbuchende Person/Vermittlungsagentur tragen. Weil viele Vermittlungsagenturen Inkassoklauseln in ihren Verträgen haben, ist es für diese ein Leichtes, die Kosten auf die Betreuerinnen abzuwälzen. Tickets für die Fahrten können über ein Reisebüro der Wirtschaftskammer gebucht werden, 300 pro Zug von Agenturen, 50 weitere von einzelnen Betreuerinnen. Aus dem Büro Edtstadlers heißt es am Sonntag gegenüber dem STANDARD, es hätte bezüglich Kosten keine Vorgaben für die Wirtschaftskammer als Organisatorin gegeben.

Burgenland zahlt mit, Wien und Niederösterreich nicht

Das Land Burgenland habe sich, so heißt es vom dortigen Soziallandesrat Christian Illedits (SPÖ), zu einem Kostenbeitrag bereiterklärt. In Wien und Niederösterreich gibt es keine entsprechenden Pläne. Betreuerinnen, die in diesen drei Bundesländern arbeiten, sind es, die die ersten beiden Sonderzüge nutzen können. Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg folgen. Am 11., 14., 18., 21., 25. und 28. Mai sind Ankünfte geplant. Die Wirtschaftskammer und auch die Steiermark würden sich laut APA ebenfalls an Kosten beteiligen.

Offen ist, wer im Falle eines positiven Tests für die Quarantäne aufkommt. Hier müsse eine Lösung gefunden werden, die die Familien nicht belaste, forderte Illedits.

Kein Zugang zum Härtefallfonds

Roxana ist seit 22 Jahren in der Branche, spricht gutes Deutsch und weiß, wie man verhandelt. Die Familie, die ihre Arbeit in Anspruch nimmt, wird für Fahrtkosten, Test und Hotel aufkommen. Was passiert, wenn der Corona-Test positiv sein sollte, klärte Roxana mit ihrer Agentur. Die soll gesagt haben, es wäre Sache der Wirtschaftskammer oder des Landes, dafür aufzukommen, sollte dem nicht so sein, werde die Agentur bezahlen.

Von Rumänien bekam Roxana in den letzten zwei Monaten keine finanzielle Unterstützung, sagt sie – immerhin zahle sie dort auch keine Sozialabgaben, sondern in Österreich. Dort gebe es zwar den Härtefallfonds, der prinzipiell für 24-Stunden-Betreuerinnen, die in Österreich arbeiten, zur Verfügung stehen sollte. Doch wie viele andere hat Roxana kein österreichisches Konto und kann ihn daher nicht nutzen. Eine Überweisung von Steuergeld ins Ausland könne im Sinne der Kontrolle und der Betrugssicherheit nicht erfolgen, hieß es dazu von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP), nachdem die Hürden für Pflegerinnen aus dem Ausland von vielerlei Seiten kritisiert wurden.

Auch Edtstadler wurde heftig kritisiert, nachdem sie schon im April die Sonderzüge im April verkündet hatte und später klar wurde, dass der Ablauf noch nicht endgültig mit Rumänien abgeklärt war. Neos-Abgeordneter Gerald Loacker will nun am Montag eine parlamentarische Anfrage einbringen, in der er danach fragt, wann Österreich mit welchen Verantwortlichen in Rumänien Kontakt hatte. Ebenfalls Teil der Anfrage ist die Frage, warum die Organisation der Fahrten an die Wirtschaftskammer übertragen wurde. Weil mithilfe der Züge nur ein sehr kleiner Teil der etwa 30.000 Betreuerinnen aus Rumänien ins Land geholt werden kann, spricht Loacker von einer "Inszenierung" Edtstadlers.

Ursprünglich war außerdem geplant, dass die Züge auch Betreuerinnen, die seit Monaten in Österreich durcharbeiten, nach Hause bringen sollen. Zumindest die erste Fahrt Richtung Osten, sie startete am 9. Mai, war laut Wirtschaftskammer eine Leerfahrt. Das sei "eine Bedingung von Rumänien gewesen", heißt es dazu von der Wirtschaftskammer gegenüber dem STANDARD.

"Arbeitsbedingungen wurden nicht besser"

Dass Roxana den Zug trotz aller Unannehmlichkeiten und Unklarheiten nutzt, liegt nicht zuletzt auch an ihrer Kollegin. Die kümmert sich seit zwei Monaten um die beiden Klienten, bei deren Betreuung sich die beiden Pflegerinnen normalerweise abwechseln. "Es ist ein schwieriger Platz, den wir haben", sagt Roxana, auch wenn die Familie freundlich sei. Ihre Kollegin sei müde – psychisch und physisch. Nun kann sie endlich zurück in die Slowakei.

Niemand sei schuld an der Pandemie, sagt Roxana. Aber dennoch seien nun Lösungen gefordert: "Jetzt wurde allen klar, wie wichtig unser Job ist. Aber an unseren Arbeitsbedingungen hat das nichts geändert." (Gabriele Scherndl, 11.5.2020)