Liquidität ist noch vorhanden. Aber wie lange reicht sie?

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Wirtschaftsprognosen sind ein unsicheres Geschäft. Wie soll es in Corona-Zeiten auch anders sein, wo so viele Unbekannte im Spiel sind? Klar ist jedenfalls: Die heimische Wirtschaft wird heuer massiv schrumpfen. Laut Prognose der Europäischen Union wird Ende des Jahres ein Minus von 5,5 Prozent zu Buche stehen. Eine Umfrage der Arbeiterkammer (AK) zeigt nun, wie heimische Betriebe mit der Corona-Pandemie umgehen.

Die AK hat für ihre Studie Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten der großen österreichischen Betriebe befragt, welche Auswirkungen die Pandemie auf ihre Betriebe hat. Die Erhebung, die dem STANDARD vorab vorlag und die laut AK die 1.000 Leitbetriebe im Land repräsentiert, zeigt: Die Liquidität passt noch. Drei Viertel der befragten Betriebsräte schätzen die Liquidität ihrer Unternehmen zumindest als gut ein. Das zeige, dass die heimischen Betriebe im Boom der letzten Jahre genügend Reserven aufbauen konnten, um die Krise teils abzufedern, schreiben die Studienautoren der AK.

Wenig gute Nachrichten

Damit sind die guten Nachrichten, die aus der Umfrage hervorgehen, jedoch großteils überbracht. Die Arbeitnehmervertreter berichten nämlich auch von allerlei Einbußen. Fast zwei Drittel erwarten, dass die Krise über drei Monate hinaus anhalten wird. Jeder vierte Befragte erwartet Umsatzeinbußen für mehr als sechs Monate. Entsprechend glaubt auch mehr als die Hälfte, dass die entgangenen Erträge heuer nicht mehr aufgeholt werden können. Ob und bis wann die Liquiditätsreserven reichen, hängt wesentlich von der Dauer der Krise ab. Jeder fünfte Befragte rechnet damit, dass das Unternehmen heuer in die Verlustzone schlittert.

Dividenden

Laut Umfrage fällt die Dividendenausschüttung in fast 40 Prozent der Betriebe heuer aus, ebenso viele denken über eine Kürzung der Dividende nach. Dass insgesamt aber trotzdem ein Viertel der Betriebe unbeirrt an der bisherigen Dividendenpolitik festhält, führen die AK-Experten auf einen Wildwuchs bei den Kriterien für staatliche Hilfsinstrumente zurück. Zwar wurden etliche Hilfsinstrumente im Rahmen des Corona-Hilfsfonds an ein Ausschüttungsverbot geknüpft. Die Beschränkungen seien aber nicht einheitlich formuliert worden, sodass es in der Praxis zu unterschiedlichen Anwendungen kommt, so die AK-Autoren.

Co-Autor Heinz Leitsmüller, Leiter der AK-Abteilung Betriebswirtschaft, wünscht sich im Hinblick auf Dividenden und Vorstandsvergütung deshalb mehr Einheitlichkeit vonseiten des Gesetzgebers. Die Ausschüttungspolitik von Unternehmen müsse angesichts von Umsatzrückgängen, Produktionsausfällen und Stornierungen angepasst werden, fordert der Experte. Es sei wichtig, dass die Gewinne des Vorjahres und die Liquiditätsreserven jetzt nicht ausgeschüttet werden.

Kurzarbeit vielerorts Thema

Die Corona-Pandemie habe auch massive Auswirkungen auf Beschäftigte, erklärt Leitsmüller. Kurzarbeit ist laut der Befragung in jedem zweiten Betrieb ein Thema, vorzeitiger Abbau von Urlaub in 70 Prozent der Betriebe. Dass in 80 Prozent der Unternehmen Kündigungen vermieden werden konnten, wertet Leitsmüller als Erfolg der betrieblichen Sozialpartnerschaft. Die Krisenkommunikation des Managements bewerteten mehr als 75 Prozent der Befragten positiv. Es sei wichtig, dass man die gute Zusammenarbeit auch beim Hochfahren der Wirtschaft fortsetze, so Leitsmüller.

Nach Einschätzung der befragten Arbeitnehmervertreter wird jedes zweite große Unternehmen staatliche Hilfe beantragen. Ohne das Instrument der Kurzarbeit wäre die Arbeitslosigkeit im Zuge der Krise deutlich stärker angestiegen, sagt Leitsmüller.

Betrüger erwischt

Allerdings hat die Kammer bereits Anfang April Bedenken angemeldet, dass es bei der Kurzarbeit auch Missbrauch geben könnte.

Die Finanzpolizei ist Verdachtsfällen bei Betrieben mit Kurzarbeit nachgegangen. Mancher Verdacht hat sich bestätigt. Seit 21. April wurden 460 Übertretungen festgestellt, wie Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Sonntag per Aussendung mitteilte.

Bundesweit wurden insgesamt 5.119 Personen in 1.946 Betrieben an 1.205 Einsatzorten kontrolliert. Die 460 Übertretungen wurden nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sowie dem Arbeitszeitgesetz verzeichnet. Gegen 31 Personen wurden Anzeigen erstattet und an die Taskforce für Sozialleistungsbetrug im Bundeskriminalamt weitergegeben.

Bei einer oberösterreichischen Metallbaufirma habe etwa ein nicht angemeldeter Dienstnehmer "ehrenamtlich" gearbeitet. Auf einer Wiener Baustelle stieß die Finanzpolizei gleich auf 14 nicht angemeldete Dienstnehmer. Vor der Krise waren diese Mitarbeiter gemeldet, aber in der Krise arbeiteten sie schwarz weiter.

Die Feststellungen der Finanzpolizei werden direkt an das Arbeitsmarktservice weitergeleitet. Den Unternehmen drohen dabei massive Strafen. (Aloysius Widmann, 11.5.2020)