Seit 4. Mai haben die Abschlussklassen in Österreich wieder Unterricht. Direktoren und Schüler haben dem STANDARD erzählt, worüber sie sich in der ersten Woche gefreut haben, was ihnen Sorgen bereitet und wie die Vorbereitungen auf Matura und Lehrabschlussprüfung laufen.

Ein Verdachtsfall brächte das System ins Wanken

Franz Anreiter arbeitet derzeit jeden Tag bis 22 Uhr. Alle paar Tage trudelt ein neues Rundschreiben von Bildungsminister Heinz Faßmann ein, das es zu lesen, zu interpretieren und weiterzugeben gilt. Anreiter leitet das Bernoulligymnasium im 22. Wiener Gemeindebezirk. Seit vergangener Woche findet der Unterricht für die 60 Maturantinnen und Maturanten im Festsaal statt. So können die Abstandsregeln eingehalten werden. "Spannend wird es dann, wenn die Massen kommen", sagt Direktor Anreiter.

Am 18. Mai sind auch die Klassen der Unterstufen wieder da. Die Hygienekommission– bestehend aus Schulwart, Schulärztin und der Referenzperson für Gesundheit – ist dabei, alle Hygienebestimmungen umzusetzen. Ausreichend Desinfektionsmittel und Ersatzmasken sind bereits eingetroffen.

Franz Anreiter leitet das Bernoulligymnasium in Wien.
Foto: privat

Trotz der vielen Arbeit ist Anreiter zuversichtlich. "Es läuft, wir kriegen das in Teamarbeit alles hin", sagt er. "Ich fühle mich extrem gut von meinem Schulqualitätsmanager unterstützt." Einige Fragen seien zwar noch offen – etwa wie der mögliche Nachmittagsunterricht für die Oberstufen umgesetzt werden soll und mit wie vielen Nicht Genügend ein Schüler in die nächste Klasse aufsteigen darf. Der Direktor geht aber davon aus, dass diese Fragen bald vom Bildungsministerium beantwortet werden.

Sorgen hat der Schuldirektor trotzdem. "Am meisten Bauchweh macht mir der Gedanke, dass wir einen Verdachtsfall haben. Oder gar einen positiv getesteten Corona-Fall." Bereits vor den Schulschließungen im März musste Anreiter wegen eines Verdachtsfalls 15 Lehrerinnen und Lehrer in Quarantäne schicken, bis das – negative – Testergebnis eingetroffen ist. "Mit so viel fehlenden Pädagogen kann ich den Schulbetrieb kaum aufrechterhalten."

Eine Matura ohne Präsentation

Die erste Mathematikstunde war nicht so produktiv, erzählt Maturantin Lena Riss. "Es war schön, alle wieder zu sehen. Es gab viel zu besprechen." Sie besucht ein Gymnasium in Wien. Riss ist froh, wieder an der Schule zu sein und offene Fragen zum Ablauf der Matura in Corona-Zeiten zu klären.

"Es ist alles sehr gut organisiert", sagt Riss. Sie hat Montag, Dienstag und Mittwoch Unterricht. Jede der vier Abschlussklassen nutzt einen eigenen Eingang – etwa über den Garten oder den Sportplatz. Der Unterricht findet gestaffelt statt. "Die Parallelklassen habe ich gar nicht gesehen", sagt Riss. Die Fenster seien während des gesamten Unterrichts vergangene Woche immer offen gewesen.

So wie hier an der Vienna Business School Floridsdorf ist auch an der Schule von Lena Riss alles perfekt organisiert.
Foto: Christian Fischer

Etwas enttäuscht ist Riss darüber, dass sie ihre vorwissenschaftliche Arbeit nicht präsentieren darf. Die Schülerin hätte auch gerne mündlich maturiert – die mündliche Reifeprüfung wurde aber abgesagt, sie ist nur zum freiwilligen Ausbessern von Abschlussnoten gedacht. "Wenn man in einem Fach einen Einser oder Zweier hat, darf man das nicht." Darüber, dass die Matura nicht generell abgesagt wurde, ist Riss froh. "Ich fände es schade, sie gar nicht zu schreiben." Immerhin hätten die Schüler jetzt zwölf Jahre lang auf diesen Moment "hingearbeitet".

Die Freunde nennen es "Spaßmatura"

Zum Glück sei die Matura nicht ganz abgesagt worden, sagt David Gönner. "Ich höre schon jetzt, dass ich eine reine Spaßmatura hab." Er findet es schade, dass er nicht wie geplant in vier Fächern schriftlich und zwei mündlich maturieren darf.

David Gönner maturiert gerade an der Bundeslehranstalt für höhere wirtschaftliche Berufe in Wien.
Foto: privat

Die Reifeprüfung an seiner Bundeslehranstalt für höhere wirtschaftliche Berufe in Wien legt der Schüler jetzt in Rechnungswesen, Deutsch und Englisch ab. Die Maturanote setzt sich zur Hälfte aus der Jahresnote und der Note bei der schriftlichen Abschlussprüfung zusammen. "Das heißt, wenn man einen Dreier im Zeugnis hat, kann man gar nicht mehr durchfallen."

Obwohl der Schüler gerne eine schwerere Matura gehabt hätte, ist er froh um die Lösung, wie sie jetzt ist. "Zu Hause zu lernen war nicht leicht." Wieder in der Schule angekommen, könne er dem Lehrer direkt Fragen stellen. "Das ist ganz was anderes und viel besser."

Eine Schularbeit in Rechnungswesen hat Gönner noch vor sich. "Das ist perfekt", sagt er. So sei er ideal auf die Matura vorbereitet.

Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung im Labor

Mit fünf Pausenhöfen ist Direktor Gerald Ammer derzeit in einer Luxussituation. Seit vergangener Woche besuchen wieder 70 Schülerinnen und Schüler seine Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe im 15. Bezirk in Wien. "Wir haben ein riesengroßes Gebäude und viel Platz." Abstandsregeln sind da kein Problem.

Gerald Ammer ist Direktor der Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe in Wien.
Foto: privat

Ammer hält es für sehr wichtig, dass die Abschlussklassen der Berufsschulen seit 4. Mai wieder unterrichtet können. Bei ihm an der Schule finden die fachpraktischen Fächer und der Unterricht im Labor wieder statt. "Die Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung ist notwendig." Man werde bei dem Test ohnehin Abstriche machen müssen, weil durch die Wochen im Homeschooling einiges auf der Strecke geblieben ist. "Die zwei Monate werden wir nicht aufholen können."

Der Schuldirektor ist sehr zufrieden mit den Lösungen, die der Gesetzgeber für die Zeit nach der Schulschließung gefunden hat. "Das wurde mit viel Hausverstand gemacht." Er könne unkompliziert selbst entscheiden, welche Fächer jetzt unterrichtet werden müssen.

Einige Unsicherheiten gebe es aber noch bei der Leistungsbeurteilung und inwiefern das E-Learning von zu Hause in die Beurteilung miteinfließen soll. "Wir haben doch einige Schüler ohne Internetzugang." Die Schule habe Endgeräte zur Verfügung gestellt, die manche aber gar nicht abgeholt hätten. "Da stellt sich dann die Frage, ob das nicht eine Ausrede und das Interesse am Lernen gering war." Auch für diese wenigen Fälle werde man aber eine Lösung direkt am Schulstandort finden. (Lisa Kogelnik, 11.5.2020)