Der Andrang hielt sich auch am Montag nach Ende des strengen Lockdowns in den meisten Gebieten Frankreichs in Grenzen. Einzig Friseure wurden überrannt.

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Der Champagner blieb in der Flasche. Auch wenn die Franzosen am Montag erstmals seit 55 Tagen wieder ohne Auflagen auf die Straße gehen konnten, hielt sich die Freude in engen Grenzen. Das Ende des Lockdowns, das Präsident Macron schon vor Wochen auf den 11. Mai angesetzt hatte, fiel zum Schluss nur sehr beschränkt aus. Mit rund 26.000 Corona-Toten ist Frankreich eines der am stärksten betroffenen Länder.

Die Schulen nehmen den Betrieb wieder auf, doch nur ein Viertel der Klassen kehrt effektiv zurück. Und auch nur, wenn die Eltern einverstanden sind: Erstmals überhaupt ist der Grundschulunterricht in Frankreich freiwillig. Nach der Rückkehr der Lehrer am Montag werden am Dienstag 1,5 Millionen Schüler im Alter von vier bis neun Jahren erwartet. Auf den Pausenplätzen bietet sich ihnen das triste Bild zugeklebter Spielgeräte. "Kontaktspiele" sind verboten, pro Unterrichtszimmer nur 15 Schüler zugelassen.

Angst statt Disziplinlosigkeit

Die französische Bahn und die Pariser Metro nahmen am Montag ebenfalls wieder den – wenn auch stark eingeschränkten – Betrieb auf. Die Passagiere waren nicht sehr zahlreich; nur in wenigen Zügen kam es pannenbedingt zu einem Gedränge. Spitzenzeiten sind ausdrücklich für Erwerbstätige reserviert. Auch sind in den Verkehrsbetrieben nun Schutzmasken obligatorisch. Sie verbargen am Montag besorgte, ängstliche Gesichter in der Pariser Metro. Wer konnte, hielt den Sicherheitsabstand ein. Von der anfänglichen Disziplinlosigkeit des Monats März war nichts mehr zu spüren.

Ganz offensichtlich wichen die Arbeitspendler auch nicht auf Autos oder die neuen, improvisierten Radspuren aus. Die üblichen Verkehrsstaus um Paris blieben aus. Viele Franzosen arbeiten offenbar weiter aus dem Homeoffice. Auch an ihre Adresse meinte Gesundheitsminister Olivier Véran am Montag: "Wir werden weiter mit dem Virus leben müssen." Und er warnte: "Neue Ausgangssperren sind nicht auszuschließen, wenn das Virus seine verrückte Laufbahn fortsetzt." Allein am Wochenende bildeten sich in Frankreich drei neue "Cluster", wie man auch auf Französisch die Gruppenansteckungen nennt.

Seit 0.01 Uhr wird wieder frisiert

Die Zahl der Corona-Toten und der Intensivpatienten ist zwar landesweit am Zurückgehen. Doch die sehr zurückhaltenden Lockerungsmaßnahmen zeugen von der Vorsicht der Behörden. Wer sich weiter als 100 Kilometer um sein Domizil bewegt, braucht weiter einen Passierschein. Familientreffen sind nur mit weniger als zehn Personen erlaubt. Restaurants und Kinos bleiben zu; nur kleine Museen öffnen ihre Pforten wieder. Kirchen und Friedhöfe gehen auf, aber nicht für Messen oder größere Beerdigungen. Heiraten bleiben bis auf weiteres aufgeschoben. Strände werden von den Behörden nur "von Fall zu Fall" geöffnet und Stadtparks auch nur in den sogenannten grünen Zonen.

Im "roten" Gebiet – Paris und der Nordosten des Landes – gelten noch mehr Restriktionen. In der Hauptstadt zeigte sich auch, dass sich ärmere Bewohner nicht einmal den Standardpreis von 0,95 Euro für eine einfache Schutzmaske leisten können: Als ein westafrikanischer Stoffhändler am Wochenende 600 Gratismasken spenden und verteilen wollte, kam es zu einem so starken Auflauf, dass die Polizei die Operation mit dem Gewehr im Anschlag stoppen musste.

Läden, Einzelgeschäfte und kleinere Einkaufszentren konnten am Montag in Frankreich hingegen wieder die Arbeit aufnehmen. Wie ungeduldig sie auf diesen Tag gewartet hatten, bewiesen einzelne Coiffeure: Sie öffneten ihr Geschäft am Montag schon um 0.01 Uhr und arbeiteten dann die ganze Nacht durch. (Stefan Brändle aus Paris, 11.5.2020)