Keine 30.000 Jahre ist es her, da durchstreiften die letzten Vertreter einer gewaltigen Bärenart Europa: Eigentlich trägt der Höhlenbär (Ursus spelaeus) seinen Namen zu unrecht, denn er hielt sich auch nicht häufiger in Höhlen auf als der moderne Braunbär, nämlich vermutlich ausschließlich während seiner Winterruhe. Die Bezeichnung rührt vielmehr von den Fundorten seiner fossiler Knochen her.

Dass sich der riesige Meister Petz hauptsächlich vegetarisch ernährte, ist schon länger bekannt, doch bislang deuteten Untersuchungen daraufhin, dass er zumindest auf dem Gebiet des heutigen Rumänien auch Fleisch und Fisch auf dem Speisezettel stehen hatte. Diese Annahme konnte nun jedoch eine internationale Forschergruppe mit einer neuen Methode widerlegen.

Riesiger Pflanzenfresser

Höhlenbären lebten in der letzten Kaltzeit vor etwa 100.000 bis 25.000 Jahren in Europa. Mit bis zu 3,50 Meter Länge und 1,7 Meter Schulterhöhe waren die Tiere deutlich größer als ihre heutigen Verwandten, die Braunbären. "Umso erstaunlicher ist die Erkenntnis, dass sich die Tiere – trotz ihrer Größe und zudem in einer kalten und trockenen Umgebung – nur von Pflanzen ernährten", erklärt Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen.

Stehend erreichte der Höhlenbär um die 3,5 Meter.
Foto: Eden, Janine, Jim

Rumänien als Ausnahme?

Während diese vegetarische Ernährungsweise für die allermeisten Höhlenbären Europas schon belegt ist, gab es bei Fossilfunden aus Rumänien zuletzt rege wissenschaftliche Diskussionen, ob sich die Bären dort auch von Fleisch ernährt haben könnten. Im Knochenkollagen der rumänischen Höhlenbären wurden isotopische Werte von Stickstoff gemessen, die sowohl denen einiger Fleischfresser, als auch denen reiner Pflanzfresser, wie Mammute, ähneln.

Um dieses Rätsel zu lösen, haben die Wissenschafter Fossilien aus drei verschiedenen Fundstätten in Rumänien untersucht. "Wir haben spezielle Aminosäuren im Knochen-Kollagen der Fossilien gemessen und anschließend mit denen von anderen Höhlenbär-Knochen sowie mit typischen Fleisch- und Pflanzenfressern, in unserem Fall ein Löwe und ein Pferd, verglichen", erklärt Bocherens die von ihm angewandte neue Methode.

Höhlenbär-Fossilien in einer der untersuchten Höhlen in Rumänien.
Foto: Iona Meleg

Schutzmaßnahmen für heutige Vegetarier

Die Ergebnisse zeigen, dass sich auch die Höhlenbären aus Rumänien rein pflanzlich ernährten, bevor sie vor etwa 25.000 Jahren ausstarben. Die Erkenntnisse zu den Fressgewohnheiten der ausgestorbenen Bären können laut der im Fachjournal "Scientific Reports" erschienenen Studie auch heutige Schutzkonzepte beeinflussen. "Wenn wir die Hintergründe für das Aussterben der vegetarischen Höhlenbären besser verstehen, können wir auch eher Vorhersagen treffen, wie sich zum Beispiel Klimaveränderungen auf heutige ‚Vegetarier’, wie den Pandabären oder den Binturong, auswirken und entsprechende Maßnahmen ergreifen", sagt Bocherens.

Ob der Höhlenbär tatsächlich dem Klimawandel am Ende der letzten Kaltzeit zum Opfer fiel, ist freilich noch unklar. Wie Wissenschafter der Universität Zürich im August 2019 berichteten, ging der europäische Höhlenbären-Bestand bereits vor 40.000 Jahren womöglich durch menschliche Einflussnahme stark zurück. Zumindest schwanden die Populationen zeitgleich mit der Ausbreitung des modernen Menschen in Europa. Zuvor hatte der Höhlenbär dagegen über 400.000 Jahre mit mehreren Klimawechseln unbeschadet überstanden. (red, 21.5.2020)