Panik kommt plötzlich und meistens unerwartet. Herzrasen und Atemnot bringen den Körper in Alarmstimmung. Mit psychologischer Hilfe lassen sich Panikattacken meistern.

Foto: istockphoto

Institut für Systemische Therapie: Paula Panic und Fred Force.
DVD, Carl-Auer-Verlag. 27 Euro.
ISBN: 978-3-8497-0331-8

Foto: IST

Das Leben ist in vielen Bereichen riskant. Gefahren erkennen, ihr Potenzial einschätzen, die eigenen Fähigkeiten danach ausrichten: In all diesen Situationen spielt das Gehirn eine wichtige Rolle. "Überleben ist der stärkste menschliche Grundinstinkt", sagt die Psychotherapeutin Sabine Sommerhuber und nennt Angst als das diesbezüglich wichtigste Gefühl.

Rein physiologisch betrachtet wird diese Emotion durch Ausschüttung des Hormons Adrenalin im Körper erzeugt. Man spürt das als Stressreaktion: Das Herz rast, die Atemfrequenz wird schneller, gleichzeitig sind die Sinne geschärft, die Reaktionsgeschwindigkeit steigt: "Mit diesen körperlichen Voraussetzungen konnten unsere Vorfahren schneller vor gefährlichen Tieren fliehen bzw. Gefahren bekämpfen", erklärt Sommerhuber die Funktion dieser physiologischen Reaktionen.

Angst als Warnfunktion

Angst sei an sich etwas sehr Gutes und Überlebensnotwendiges, doch die Gefahren seien im 21. Jahrhundert andere. Ein Problem wird die Angst dann, wenn sie sich verselbstständigt. Konkret: wenn Angstattacken mit körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Schweißausbrüchen und Panikreaktionen aus heiterem Himmel, ohne rational-nachvollziehbaren Auslöser, hereinbrechen und die davon betroffenen Personen in Todesangst versetzen. "Dann hat sich die Angst als physiologisches Ereignis im Gehirn verselbständigt", sagt Psychotherapeutin Sommerhuber, und sei zu einer "psychischen Krankheit" geworden.

"Hab keine Angst" sei dann ein Satz, der überhaupt nicht helfe. "Ein Weg, mit den Angstattacken fertig zu werden, ist es, sie begreifen zu lernen", sagt Sommerhuber. Angststörungen sind zwar höchst individuell, hängen von genetischen Voraussetzungen, der Lebenserfahrung und der persönlichen Lebenssituation ab – trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten. Die Psychotherapeutin hat zusammen mit dem Institut für Systemische Therapie (IST) in Wien eine DVD zum Thema gemacht: "Paula Panic und Fred Force" ist der Titel, unter dem Betroffenen und ihren Angehörigen eine neue Sicht auf diese unangenehmen Gefühle eröffnen werden soll.

Angst als Puppe

Das Konzept, psychische Erkrankungen personifiziert als Schauspieler darzustellen, ist erprobt. Auch diesmal ist die Protagonistin der neuen DVD eine Handpuppe. Rothaarig, zerzaust und sehr selbstbewusst erklärt sie, wer sie ist, wie sie sich in das System Menschen Zutritt verschafft, bei wem das gut geht und bei wem sie sich die Zähne ausbeißt. Das 40-Minuten-Video findet im Rahmen eines inszenierten Interviews statt. Sabine Sommerhuber stellt selbst die Fragen. Nach der Hälfte dieses Puppentheaters hat dann auch Fred Force seinen großen Auftritt. Er stellt mit seiner Person die Zwangsstörung dar.

"Zwangsstörungen sind oft eine Art Bewältigungsstrategie für die Angst," sagt Sommerhuber. Sie geben den Betroffenen das Gefühl vermeintlicher Kontrolle zurück. Im Video ist die Zwangsstörung als glatzköpfiger Mann mit Brille dargestellt. Dieser Fred Force ist missgelaunt, misstrauisch und will vor allem unentdeckt bleiben.

"Der erste Schritt zur Bewältigung von Angst und Zwang ist es deshalb, die damit verbundenen Schamgefühle abzulegen", sagt Sommerhuber und gibt eine Reihe sehr konkreter Hilfestellungen – im Akutfall, aber auch langfristig. Externalisieren heißt diese Methode hinter der DVD. Das Institut für Systemische Therapie hat begleitend ein Buch herausgebracht, das Psychotherapeuten näherbringt, wie sie dieses Video in der Arbeit mit ihren Klienten einsetzen können.

Reden über Angst

Menschen, die ihre Angsterkrankung oder ihre Zwangsstörung erkannt haben, sagt Sommerhuber, könnten mithilfe der Psychotherapie lernen, damit zurechtzukommen – oft reichten dafür schon ein paar Sitzungen. Die gute Nachricht: "Im evolutionären Repertoire des Menschen gibt es auch Strategien zur Bewältigung dieser Probleme", sagt Sommerhuber. Eine der wichtigsten sei, "sich zu erzählen, wie man Situationen empfindet –das entlastet das Gehirn," so Sommerhuber.

Tränen zum Beispiel sind dafür da, dass sich Ängste "verflüssigen", sagt sie – das "Tapfersein" sei nur eine vermeintliche Tugend, da es angstvolle Gefühle lediglich unterdrücke und diese später wieder auftauchen, oft zusammenhangslos. Deshalb sei der offene Umgang mit Panik- und Angsterkrankungen sehr wichtig. "Das Coming-out ist ein Schlüsselmoment", formuliert es Sommerhuber. Im besten Fall lernen Betroffene, mit Attacken gut zurechtzukommen und im Akutfall gegenzusteuern. Auch der Einsatz von Medikamenten kann eine Option sein.

Wenn Paula Panic im Video das Gesicht verzieht und sagt: "Das mag ich nicht", dann haben die Zusehenden den Eindruck, dass es der richtige Weg sein könnte: Denn Paula Panic und Fred Force führen vor, wie ihre Chancen, einen Menschen zu dominieren, immer schlechter werden. (Karin Pollack, 24.5.2020)