"Mammuts. Eismumien aus Sibirien": Das war der Titel einer Ausstellung im Naturhistorischen Museum (2014/2015), aus der dieses Bild stammt.

Foto: NHM Wien / Alice Schumacher

Mammuts sind ja bekanntlich ausgestorben. Die meisten von ihnen segneten bereits vor rund 10.000 Jahren das Zeitliche. Auf der nordsibirischen Wrangelinsel hielt sich eine kleine Herde von 300 Wollhaarmammuts noch bis ca. 2000 vor Christus, dann war auch für sie Schluss.

Aus dem sibirischen Permafrostboden tauchen jedoch immer wieder Überreste dieser ausgestorbenen Gattung der Elefanten auf. Im Jahr 2008 wurde im Fachmagazin Nature das Genom des Wollhaarmammuts beschrieben, 70 Prozent konnten entschlüsselt werden.

Der bekannte Harvard-Genetiker George Church verfolgt seither die Idee, die Art mithilfe bestimmter DNA-Abschnitte und Zellen des nahen verwandten Asiatischen Elefanten gleichsam wieder auferstehen zu lassen. Besser gesagt: Wenn die Experimente eines Tages gelingen sollten, würde ein Elefant mit Fell entstehen, mit Merkmalen, die für die Gattung "Mammuthus" typisch waren: Es sind dies kleine Ohren, ein an Kälte angepasster Stoffwechsel und eine dicke Fettschicht unter der Haut.

Chemische Substanzen, die Reaktionen auslösen

In Österreich befassen sich Chemiker ebenfalls mit Mammuts, ihre Forschungsziele sind allerdings weitaus bescheidener als jene von George Church. Sie versuchen, Pheromone der Tiere zu rekonstruieren. Dazu muss man wissen: Pheromone sind chemische Substanzen, die von einem Individuum abgegeben werden und bei einem Artgenossen bestimmte Reaktionen auslösen.

Dem deutschen Chemiker Adolf Butenandt gelang es 1959 als Erstem, ein solches Pheromon zu isolieren: Es handelte sich um einen Botenstoff, mit dem weibliche Seidenspinner Männchen anlocken. Entsprechend dem wissenschaftlichen Namen des Seidenspinners, Bombyx mori, nannte es Butenandt "Bombykol". Seitdem wurde und wird an Insektenpheromonen viel geforscht. Die anfängliche Hoffnung, Schädlinge oder auch Nützlinge an eine Art chemisches Gängelband zu legen, hat sich nicht erfüllt, aber zum Beispiel haben sich Pheromon-Fallen bei einigen Arten als nützlich erwiesen.

Kaum erforscht

Im Unterschied zu den Pheromonen von Insekten sind jene der Wirbeltiere kaum erforscht. Das dürfte unter anderem daran liegen, dass bei deren Verhalten neben Gerüchen häufig auch optische Signale eine große Rolle spielen. Dementsprechend ist es deutlich schwieriger festzustellen, ob bestimmte Reaktionen tatsächlich von Duftstoffen ausgelöst werden oder doch von anderen Faktoren. Und für ausgestorbene Arten wie das Mammut scheinen diesbezügliche Erkenntnisse schlicht unmöglich.

Der Wissenschafter Paolo Pelosi vom AIT Austrian Institute of Technology hat dennoch einen Weg gefunden, wie wir unsere Nasen selbst in diese weit zurückliegende Zeit stecken können. Unter dem klingenden Titel "Umgekehrte chemische Ökologie: Liebesbriefe von Mammuts" und mit finanzieller Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF befassen sich Pelosi und seine Doktorandin Valeriia Zaremska seit dem vergangenen Jahr damit, die Pheromonproduktion von Mammuts – genauer gesagt: des Wollhaarmammuts – zu verstehen und danach die biologischen Abläufe, die zu ihrer Entstehung führten, zu rekonstruieren.

Zwei Familien von Proteinen

Prinzipiell gibt es zwei Familien von Proteinen, die sowohl bei Insekten als auch bei Wirbeltieren die Vermittlung von Pheromonen bewerkstelligen, und zwar olfaktorische Rezeptoren, kurz ORs, und duftstoffbindende Proteine, kurz OBPs (kurz für "odorant-binding proteins"), von denen es, wie man weiß, bei jeder Tierart mehrere gibt. Die Rolle der OBPs ist allerdings nicht restlos geklärt, doch dürften sie dafür zuständig sein, die wasserabweisenden Duftstoffe zu solubilisieren, d. h. ihre Löslichkeit so zu verändern, dass sie über die wässrigen Nasenschleimhäute transportiert werden können.

Jedenfalls reagieren die olfaktorischen Rezeptoren in Anwesenheit von OBPs stärker und genauer auf Pheromone. Daraus lässt sich laut Paolo Pelosi ein Zusammenhang zwischen den Strukturen der Duftstoffe und jenen der zugehörigen OBPs ableiten.

Andockstelle des Pheromons

Die Andockstelle des jeweiligen Pheromons am Protein nennt man Bindungstasche, und sie ist so spezifisch gestaltet, dass man daraus auf die chemische Natur der jeweiligen Pheromone schließen kann – als ob man aufgrund der Form eines Schlosses den zugehörigen Schlüssel erzeugt oder aus dem Fußabdruck eines Tieres auf die Form seines Fußes schließt.

Terra X Natur & Geschichte

Auf diese Weise will Pelosis Arbeitsgruppe nicht nur die Pheromone von Mammuts identifizieren, sondern in der Folge auch Botenstoffe des Afrikanischen Elefanten, von denen man zwar annimmt, dass es sie gibt, die aber bis jetzt nicht nachgewiesen werden konnten.

Der ursprüngliche Antrieb hinter alldem sei, wie Pelosi ausführt, derselbe wie für Wissenschaft allgemein, nämlich reine Neugier. In diesem Sinne kann der Versuch, einen "Identikit" für Mammuts zu schaffen, als Spielerei angesehen werden. Andererseits ist es, wie Paolo Pelosi sagt, "eine gute Übung, unseren Ansatz der umgekehrten chemischen Ökologie zu verfeinern".

Im Dienst der Grundlagenforschung

Diese steht in erster Linie im Dienste der Grundlagenforschung, von der man bekanntlich nie vorher weiß, wofür sie gut sein kann, aber es ist auch denkbar, "dass wir mutmaßliche Pheromone verwenden können, um die Fortpflanzungsrate gefährdeter Arten zu erhöhen", gibt Pelosi zu bedenken.

Erste Versuche dieser Art unternahm Pelosi, der am Forschungsinstitut AIT in der Unit Biosensor Technologies arbeitet, bereits vor einigen Jahren in China am Großen Panda, dessen Repertoire an OBPs er identifizierte. Dank umgekehrter chemischer Ökologie musste er die Tiere, von denen es in freier Natur nur noch rund 1860 gibt, dafür keiner speziellen Prozedur unterziehen.

Stattdessen erfolgte die nötige Probennahme einfach im Zuge der üblichen Gesundheitschecks. Panda-Bärinnen sind nur einmal im Jahr für zwei bis drei Tage empfängnisbereit und ziehen nur alle zwei bis drei Jahre ein Junges groß, was ihre Lage als gefährdete Art nicht gerade verbessert. Möglicherweise können Pelosis Erkenntnisse irgendwann einen Beitrag dazu leisten, die Überlebenschancen der emblematischen Art zu erhöhen. (Susanne Strnadl, 15.5.2020)