Eine Orthese, die künftig aus dem 3D-Drucker kommen soll: Das Skoliose-Korsett wird bei Wirbelsäulenverkrümmungen eingesetzt.

Foto: Luxinergy

In vielen Industrien machen sich 3D-Drucker breit. Der Fahrzeugbau profitiert etwa von schnell gefertigten Prototypen und der damit möglichen allmählichen Annäherung an das perfekte Bauteil. Doch es gibt auch Bereiche, wo 3D-gedruckte Objekte auch als tatsächliche Produkte für Endkonsumenten sinnvoll sind. Hier sticht die Fertigung von Medizinprodukten hervor. Prothesen, Zahntechnik oder Schienen müssen für den individuellen Träger möglichst schnell maßgefertigt werden. 3D-Druck erscheint hier als die bessere Option.

Ein junges Unternehmen in diesem Bereich kommt aus Leoben. Luxinergy, ein Spin-off der Montan-Uni, fokussiert auf eine spezielle Variante des 3D-Drucks, die für die Fertigung von Heilbehelfen noch kaum erschlossen ist: die Stereolithografie. Dabei wird ein Photopolymer, also ein flüssiger, lichtempfindlicher Kunststoff, gezielt belichtet, sodass es aushärtet und Schicht für Schicht ein gewünschtes Objekt entsteht.

Kunststoffpulver wird per Laserstrahl verschmolzen

Diese eigentlich älteste Form des 3D-Drucks mit einer tief in die 1980er-Jahre zurückreichenden Geschichte hat durch das Laser-Sintern – Kunststoffpulver, das per Laserstrahl verschmolzen wird – in vielen Bereichen Konkurrenz bekommen. Mit einer neuen Materialentwicklung und einer maßgeschneiderten Optik im 3D-Drucker vom Forschungspartner In-Vision soll die Stereolithografie bei Luxinergy aber neu belebt werden.

Im Fokus der Luxinergy-Gründer Matthias Edler, Thomas Grießer und Thomas Rockenbauer steht die Produktion von Orthesen: orthopädischen Prothesen, die Körperteile stützen, entlasten oder stabilisieren. So würde die Fertigung eines Skoliose-Korsetts, das bei Wirbelsäulenverkrümmungen hilft, nur noch einen Tag dauern. Im konventionellen Thermoforming-Prozess ist mit mehreren Wochen zu rechnen.

Exakte Belichtung

Für den 3D-Druck wird der Körper des Patienten per 3D-Scan aufgenommen und das Medizinprodukt am Computer modelliert. Im Drucker muss dann die genau auf die Eigenschaften des Polymers abgestimmte Belichtung organisiert werden. Gerold Aschinger und Christof Hieger vom Optoelektronik-Experten In-Vision in Guntramsdorf – ein Mitglied der Lichttechnologieplattform Photonics Austria – sehen eine Kernherausforderung in der Kombination aus relativ großen zu druckenden Werkstücken und hoher Fertigungsgeschwindigkeit. "Mit herkömmlicher Technik war das nicht zu erreichen", sagt Hieger.

Ihre Belichtungsmaschine sorgt dafür, dass eine hohe Energiemenge in Form von UV-Licht in gleichmäßiger Ausleuchtung auf das Substrat gebracht wird. Das projizierte Bild, das den Kunststoff aushärtet, entspricht einem jeweils errechneten Objektquerschnitt. Es wird von einem speziellen Chip erzeugt, auf dem sich Millionen mikrometerkleine Spiegel befinden, die jeweils einem Bildpixel entsprechen und individuell aktiviert werden können, beschreibt Aschinger. Die Entwickler kümmern sich um die aufwendige Optik, die den Chip, der vom Hersteller Texas Instruments kommt, einbindet. "Wir entwerfen das optische und mechanische Design: Wie muss das Licht gebündelt werden, wie projiziert werden? Wie müssen die Linsen beschichtet sein?", zählt Hieger auf. Die Qualität des Bildes übersetzt sich letztendlich auch in die Qualität des gedruckten Werkstücks.

Eigene Projektionsoptik

Eine eigene Projektionsoptik bringt das Licht, das von einer Hochstrom-LED kommt, gleichmäßig und exakt auf den Chip auf, der über eine eigene Wasserkühlung verfügt. Auch das reflektierte Licht geht durch eine Projektionsoptik, die das finale Bild generiert und für Faktoren wie Schärfe oder Kontrastübertragung verantwortlich ist, sagt Aschinger.

Besonders heben die Experten die eigens entwickelte Lichtquelle hervor. "Am Markt sind die Lichtquellen nur mit einer beschränkten Leistung verfügbar", erklärt Hieger. "Im Projekt konnten wir aber eine eigene Hochstrom-LED designen, die sonst nicht erhältlich ist." Die bessere Energieleistung bedingt ein schnelleres Aushärten des Polymers und übersetzt sich somit in höhere Druckgeschwindigkeit. Laut Hieger könnte diese verdreifacht werden und Fertigungszeiten von unter 24 Stunden erlauben.

Trifft das Licht auf das Photopolymer, beginnt eine chemische Kettenreaktion, die zur Aushärtung führt. Die Entwicklung des Materials geht auf die Arbeit in der Photochemie-Forschungsgruppe von Luxinergy-Mitgründer Thomas Grießer am Lehrstuhl für Chemie der Kunststoffe der Montan-Uni zurück. Ein sogenannter Photoinitiator in der Druckflüssigkeit zerfällt bei Belichtung. Die resultierenden hochreaktiven Moleküle binden sich an die vorhandenen Monomere, kleine Moleküle, die sich dann zu komplexen Molekülketten, Polymeren, verbinden und kompakte 3D-Strukturen bilden.

Probleme ausgeräumt

Grießer und Kollegen konnten mit ihrer Entwicklung einige Probleme, die bei Photopolymeren oft auftreten, ausräumen. Medizinischen Anwendungen stand bisher etwa ein gewisses toxikologisches Potenzial im Weg. Es rührte daher, dass die Polymerisation nicht vollständig erfolgt, das Material nicht zu 100 Prozent aushärtet und Kleinstmoleküle "übrig bleiben". Die Fortschritte in diesem Bereich sorgen nun für eine besonders hohe Biokompatibilität des Kunststoffs. Gleichzeitig sind die Gründer auf die "Duktilität" des Materials stolz. Anders als bisherige Materialien sind Sprödigkeit und Bruchanfälligkeit geringer – eine weitere wichtige Voraussetzung für die Orthesen.

Die Gründer wollen mit ihrem 3D-Drucker 2021 zu Pilotkunden und im Jahr darauf den vollen Marktstart. Mit weiterer Entwicklungsarbeit könnte sich das Sortiment der druckfähigen Objekte noch stark erweitern: Grießer und Kollegen denken etwa an Zahnschienen oder Schuheinlagen. (Alois Pumhösel, 16.5.2020)