Das Fossil in seiner Gesamtheit: links der Körper des Tintenfischs, rechts der Fisch mitsamt den Überresten der Tentakel, die um ihn geschlungen waren.
Foto: Malcolm Hart, Proceedings of the Geologists' Association

Fossilien von Tieren, die mitten im Akt des Tötens selbst gestorben und versteinert sind, findet man nur äußerst selten. Ein besonders altes Beispiel haben nun britische Forscher präsentiert. Es handelt sich um einen Tintenfisch, der seine Beute im frühen Jura attackierte, vor knapp 200 Millionen Jahren.

Das spektakuläre Fossil war bereits im 19. Jahrhundert an der englischen Südküste gefunden worden, es gehört zu den Sammlungen des British Geological Survey in Nottingham. Ein Team um Malcolm Hart von der Universität Plymouth untersuchte das Fundstück eingehender und konnte beide im Todeskampf verstrickten Tiere identifizieren.

Täter und Opfer

Beim Jäger handelt es sich um einen Tintenfisch der Spezies Clarkeiteuthis montefiorei. Die Meere waren damals noch voller Ammoniten mit ihren charakteristischen schneckenhausartig eingedrehten Gehäusen. Clarkeiteuthis hingegen hatte keinen solchen schwimmenden Bunker: Er gehörte demselben Zweig der Kopffüßer an wie die heutigen Kalmare und Kraken.

In der Nahaufnahme sieht man die tödliche Umklammerung, in der der Fisch steckte.
Foto: Malcolm Hart, Proceedings of the Geologists' Association

Der Fisch, den er mit seinen Fangarmen umklammert hat, ist ein Dorsetichthys bechei: ein Knochenfisch, der äußerlich einem Hering geähnelt hätte und bis zu 40 Zentimeter lang wurde. Der Schädel des Fischs wurde von den schnabelartigen Kiefern des Tintenfischs zerquetscht – Hart spricht von einer "besonders gewaltsamen Attacke".

Es ist zwar das älteste, aber nicht das einzige Dokument eines Clarkeiteuthis mit Beute. Ein paar Millionen Jahre jüngere Funde von Exemplaren mit Resten von Fischen im Körper kennt man bereits aus dem sogenannten Posidonienschiefer, einer riesigen geologischen Formation aus Tonstein, die sich von Nordwest- bis Mitteleuropa erstreckt. Auch der Nordwesten Österreichs gehört zu diesem Überbleibsel des einstigen Jurameers.

Wie kam es zum zweifachen Tod?

Bleibt noch die Frage, warum der Tintenfisch zusammen mit seiner letzten Mahlzeit zugrunde gegangen ist. Dafür bieten die Forscher zwei mögliche Erklärungen an. Eine geht davon aus, dass sich der Clarkeiteuthis schlicht und einfach verschätzt hat: Die Beute war zu groß, blieb im Kiefer stecken und sank schließlich mit dem erschöpften Tintenfisch auf den Meeresboden.

Die andere Erklärungsvariante läuft darauf hinaus, dass sich der Clarkeiteuthis möglicherweise selbst ausgetrickst hat. Er könnte nämlich seine Beute auch absichtlich in Bodennähe transportiert haben, damit sie ihm nicht von Konkurrenten weggeschnappt wird (Hart spricht von "distraction sinking"). Allerdings hätte sich der Tintenfisch mit seinem Manöver in eine Wasserschicht mit geringerem Sauerstoffgehalt begeben. Lag dieser unter dem kritischen Wert, dann ist der Jäger mitten im Fressvorgang erstickt. (jdo, 18. 5. 2020)