Die Rote-Armee-Fraktion (RAF) war schon Geschichte, als eine Wiener Pensionistin am 15. September 1999 zum Telefon griff und der Polizei ein verdächtiges Paar auf der Wagramer Straße meldete. Bei einer Polizeikontrolle kam es zu einer wilden Schießerei, bei der der Mann tödlich getroffen und ein Polizist verletzt wurde. Die Frau ließ sich widerstandslos festnehmen.

Am Abend meldeten die Zeitungen: "Mutmaßlicher RAF-Terrorist in Wien erschossen." Das Innenministerium hatte bestätigt, dass es sich bei dem Erschossenen um Horst Ludwig Meyer handelte, der seit Jahren auf internationalen Fahndungslisten stand. Ihm und seiner Begleiterin Andrea Klump wurde vorgeworfen, Mitglieder der sogenannten Kommandoebene der RAF und für tödliche Anschläge verantwortlich zu sein.

Die beiden Deutschen stammten zwar aus dem Umfeld der RAF, gehörten aber nicht zu der linksradikalen Terrorgruppe. Beide tauchten in den 1980er-Jahren ab und lebten seit 1995 in Wien, wo sie sich mit Gelegenheitsjobs und Raubüberfällen über Wasser hielten. Auf der Wagramer Straße sollen sie ein Ziel für einen Überfall ausgekundschaftet haben.

Kein Operationsgebiet

Dass beide in Wien waren, kam für die Sicherheitsbehörden völlig überraschend. Seit einem gescheiterten Banküberfall in den 1970er-Jahren war die RAF hierzulande nicht mehr in Erscheinung getreten. Österreich war kein Operations-, sondern Rückzugsgebiet und Transitland.

Im Gegensatz zu Deutschland gab es in Österreich nur wenige RAF-Unterstützer. Autonome und Antiimperialisten verübten aber Ende der 1980er-Jahre Brandanschläge auf Niederlassungen deutscher Firmen, um so auf die Situation der RAF-Gefangenen hinzuweisen, die mit einem Hungerstreik ihre Haftbedingungen verbessern wollten.

Die RAF hat sich 1998 aufgelöst. Ihr werden zahlreiche Attentate zur Last gelegt. Ihre spektakulärste Aktion war die Entführung und Ermordung des ehemaligen SS-Mannes und Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer 1977. Als Geburtsstunde der RAF gilt die Befreiung von Andreas Baader am 14. Mai 1970.
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Einer anderen Gruppe gelang hierzulande hingegen ein spektakulärer Coup. Drei Wiener Studenten aus dem Umfeld der Bewegung 2. Juni entführten 1977 den Textilindustriellen Walter Palmers. Der damals 74-Jährige wurde 100 Stunden lang gefangen gehalten und nach der Zahlung von mehr als 30 Millionen Schilling (2,2 Millionen Euro) Lösegeld wieder freigelassen.

Die Studenten wurden rasch verhaftet und zu hohen Haftstrafen verurteilt, der größte Teil des Geldes blieb verschwunden. Wie in den Memoiren einiger Ex-Terroristen zu lesen ist, wurde das Geld zwischen der RAF und der palästinensischen PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) aufgeteilt, nachdem sich die Bewegung 2. Juni 1980 aufgelöst hatte.

Rolle von Palästinensern

Wie eng Palästinenser mit deutschen Terrorgruppen zusammenarbeiteten, zeigte sich auch im Prozess gegen Klump. Sie wurde nach ihrer Verhaftung nach Deutschland ausgeliefert und 2004 zu zwölf Jahren Haft verurteilt, da sie 1991 in Budapest an einem Anschlag auf jüdische Auswanderer aus der Sowjetunion beteiligt gewesen war – eine "Auftragsarbeit einer palästinensischen Organisation", wie das Gericht festhielt. Klump war auch bei einem gescheiterten Anschlag auf einen Nato-Stützpunkt in Spanien dabei. (Markus Sulzbacher, 14.5.2020)