Kreisarchäologe Jürgen Hald (rechts) dokumentiert mit einer Kollegin eines der gefundenen Skelette. Die Ausgrabungen laufen noch bis Juni.
Foto: Landratsamt Konstanz

Stuttgart – Auf ein grimmiges Zeitzeugnis aus der frühen Neuzeit sind deutsche Archäologen in der Baden-Württemberger Gemeinde Allensbach am Bodensee gestoßen: Bei Voruntersuchungen zum Neubau einer Bundesstraße kamen das Fundaments eines Galgens und die Skelette von mindestens sechs Menschen ans Licht, berichtet das Landratsamt Konstanz.

Wie alt genau die Hinrichtungsstätte ist, kann man laut dem Kreisarchäologen Jürgen Hald, der das siebenköpfige Ausgrabungsteam leitet, noch nicht sagen. Historische Aufzeichnungen zeigen, dass an dieser Stelle ein Galgen im Jahr 1653 neu aufgerichtet wurde. Hinrichtungen sind vom 16. bis ins 18. Jahrhundert verbürgt, die letzte fand im Jahr 1770 statt. Der hölzerne Querbalken musste in diesem Zeitraum mehrmals erneuert werden. Wann genau der Galgen, von dem nur die gemauerten Fundamentteile übrigblieben, demontiert wurde, ist nicht bekannt. Auf Karteneintragungen von 1817 war er laut Landratsamt noch eingezeichnet.

Todesursache nicht eindeutig, aber wahrscheinlich identifizierbar

Die menschlichen Überreste stammen laut den Archäologen mehrheitlich von erwachsenen Männern. Bei den vollständig erhaltenen Skeletten konnte man erkennen, dass die Hände auf dem Rücken gekreuzt waren, was auf Fesselung hinweist. "Bei den ohne Sorgfalt verscharrten Toten handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Menschen, die auf der Insel Reichenau abgeurteilt und an der herrschaftlichen Richtstätte in Allensbach hingerichtet wurden", sagt Hald.

Anthropologe Michael Francken vom Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart ergänzt, dass die Toten keine offensichtlichen Spuren von Gewalteinwirkung aufweisen. Obwohl aus Archivquellen bekannt sei, dass an dieser Hinrichtungsstätte auch Enthauptungen mit dem Schwert stattfanden, gilt Strangulation daher als wahrscheinlichste Todesursache. Einige ebenfalls gefundene Gruben mit verbrannten Knochen weisen zudem darauf hin, dass dort Menschen auf dem Scheiterhaufen oder mehrere Leichname zusammen verbrannt wurden. (red, 14. 5. 2020)