Der Europäische Gerichtshof stuft den Umgang mit Aslywerbern in Ungarn, konkret in Transitzonen, als Haft ein.

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Die Unterbringung von Asylwerbern im ungarischen Containerlager Röszke ohne Einzelfallprüfung verstößt nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht. Die Bedingungen in dem Lager glichen einer Inhaftierung, befanden die Luxemburger Richter am Donnerstag (Rechtssachen C-924/19 PPU und C-925/19 PPU).

Hintergrund ist der Fall von vier Asylwerbern aus dem Iran und aus Afghanistan, die über die Türkei, Bulgarien und Serbien nach Ungarn gekommen waren. Die ungarischen Behörden wiesen ihre Asylanträge mit der Begründung ab, die Menschen seien über ein Land – den Nicht-EU-Staat Serbien – eingereist, in dem ihnen weder Verfolgung noch ernsthafter Schaden drohten. Zudem sei in den Ländern, über die sie nach Ungarn gekommen seien, ein angemessenes Schutzniveau gegeben. Klagen gegen diese Entscheidung wies das zuständige ungarische Gericht ohne Prüfung ab.

Serbien lehnte es jedoch ab, die Menschen zurückzunehmen, woraufhin Ungarn das Zielland der Rückführung in Iran beziehungsweise Afghanistan änderte. Zudem wurde den Betroffenen ein Bereich in der Transitzone Röszke als Aufenthaltsort zugewiesen.

Kurs der Abschreckung

Ungarn verfolgt unter dem rechtsnationalen Ministerpräsidenten Viktor Orbán seit Jahren eine Politik der Abschottung und Abschreckung von Flüchtlingen und Migranten. Seit mehreren Jahren hält das Land Asylwerber in zwei Containerlagern unmittelbar an der Grenze zu Serbien fest. Die Gebiete sind mit hohem Zaun und Stacheldraht umgeben. Die vier Asylwerber durften ihren Sektor nur in Ausnahmefällen und in polizeilicher Begleitung verlassen. Besuch war nur nach vorheriger Genehmigung in einem gesonderten Container erlaubt.

Ungarn argumentiert stets, die Menschen hielten sich "freiwillig" dort auf, weil sie die Lager in Richtung Serbien verlassen könnten. Wer jedoch nach Serbien zurückkehrt, verliert in Ungarn automatisch seinen Status als Asylwerber.

Die Luxemburger Richter argumentierten nun, dies sei Freiheitsentzug. Die serbischen Behörden sähen es als rechtswidrig an, wenn die Menschen ins Land kämen, und sie müssten deshalb mit Sanktionen rechnen. Zudem verlören die Menschen dadurch die Aussicht auf Anerkennung als Asylwerber in Ungarn. Der EuGH betonte, dass Asylwerber nur dann inhaftiert werden dürften, wenn vorher eine Anordnung getroffen worden sei, in der Gründe dafür genannt wurden.

Wegen der ungarischen Transitlager läuft noch ein weiteres Verfahren vor dem EuGH. Die EU-Kommission klagte das Land bereits 2018 im vorerst letzten Schritt eines Vertragsverletzungsverfahrens, weil die Lager nach Ansicht der Kommission gegen EU-Recht verstoßen. (APA, 14.5.2020)