Budapest – Welche Folgen die Corona-Krise langfristig nach sich zieht, lässt sich aktuell noch kaum abschätzen. Eines dürfte jedoch klar sein: Ein neues Bewusstsein für Hygiene hat sich aufgetan. Diese Entwicklung hofft der Umwelttechniker Sunny Bhasin nutzen zu können. Er hat in Budapest das Unternehmen Renew Technologies gegründet und stellt aus Klärschlamm Haushaltsreiniger her.

"Unsere Vorgängergenerationen nutzten oft Essig zum Putzen, darauf basiert unser Produkt Cycle. Wir extrahieren biologische Essigsäure aus Klärwasser, sie hat dieselbe Wirkung wie Essig", sagt Bhasin im Gespräch mit dem STANDARD. Neben der Essigsäure nutzt er recyceltes Wasser, hinzugefügt werden lediglich vegane Seife, Zitronensäure und natürliche Duftstoffe. "Wir brauchen keinen Tropfen sauberes Wasser für die Herstellung", so Bhasin. Die Wirksamkeit bestätigte das deutsche SGS-Institut Fresenius. Auch die Flaschen werden bis auf den Sprühkopf aus recyceltem Kunststoff hergestellt. Bisher gibt es Bad- und WC-Reiniger, die unter der Marke Cycle vertrieben werden.

Sunny Bhasin machte seine Ausbildung in den USA und lebt aktuell mit seiner Familie in Budapest.
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Bei der Behandlung des Klärschlamms werden die freigesetzten Säuren in verwertbare Rohstoffe umgewandelt. Die kontrollierte Hydrolyse umfasst vor allem die Rückgewinnung der besagten biologischen Essigsäure. Der Klärschlamm gelangt in den biologischen Reaktor, und nach der Hydrolyse wird über einen Ultrafilter das sogenannte Permeat aus dem Reaktor gewonnen. Das Permeat wird durch einen Destillationsprozess in flüchtige Fettsäuren (Destillat) und Nährstoffe (Konzentrat) getrennt. Das Unternehmen verfügt für das Verfahren über fünf Patente.

Erkrankte Schwester brachte ihn auf die Idee

Bhasin ist gebürtiger Inder und wuchs in Neu-Dehli als Sohn eines Ziviltechnikers auf, der Abwasseranlagen sowohl entwickelte als auch baute: "Schmutz und dessen Beseitigung waren immer Teil meines Lebens", meint Bhasin. Er machte eine Ausbildung in den USA, und im Jahr 1993 verschlug es ihn dann nach Ungarn. Als "Augenöffner" beschreibt Bhasin den Moment, als er seine an Brustkrebs erkrankte Schwester in London besuchte.

Er beobachtete sie, wie sie all ihre Reinigungsmittel wegwarf. Die Frage nach dem Warum beantwortete sie mit dem Etikett – er solle sich einmal die Inhaltsstoffe ansehen. All diese Chemikalien hätten ihn auf die Idee gebracht, diese Reiniger biologisch herzustellen. Das nötige Know-how hatte er nach mehr als 25 Jahren in der Abwasserbranche, in denen er unter anderem Projekte für Pharma-, Papier-, Öl- und Gasunternehmen umsetzte.

Zehn Jahre Entwicklung

Die Entwicklung dauerte dennoch zehn Jahre, rund drei Millionen Euro hat Bhasin investiert – finanziert durch das Einkommen seiner anderen beiden Firmen UTB Envirotec und Bionergy, die im Vorjahr zusammen einen Umsatz von 5,6 Millionen Euro erzielten. Von der Europäischen Union gab es dann noch einen Zuschuss in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Renew Technologies produziert in Budapest und kann jährlich bis zu drei Millionen Flaschen herstellen. 2019 kam Cycle in Ungarn auf den Markt, und seit Anfang Mai gibt es die Reiniger bei DM auch in Österreich zu kaufen.

Der ungarische Unternehmer Sunny Bhasin hat einen durchaus neuen Zugang zu Klärschlamm gefunden.
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Bhasin erklärt, dass er vom österreichischen Markt lernen möchte, um in weiterer Folge nach Deutschland zu expandieren. Auch langfristige Gedankenspiele stellt er an: "Unsere Anlage ist mobil, wir können theoretisch auf der ganzen Welt produzieren. Abfall und Klärschlamm gibt es überall." Aktuell sind bei Renew Technologies drei Personen beschäftigt, das sollen aber mehr werden.

In einem nächsten Schritt sollen Desinfektionsmittel und Dünger auf natürlicher Basis auf den Markt kommen. Und auf lange Sicht liebäugelt Bhasin mit der Produktion von Bioplastik. Die Recherche dafür habe bereits begonnen, das sei allerdings ein schwieriger Prozess und würde wohl noch etwas Zeit brauchen. (Andreas Danzer, 15.5.2020)