Erst wenn tausende Patienten in der Phase drei einer klinischen Prüfung den Impfstoff oder ein Medikament gegen das neue Coronavirus erhalten, gut vertragen und einen Vorteil davon haben, erfolgt die Zulassung durch die Behörden. Sie arbeiten eng mit den forschenden Unternehmen zusammen.

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Das Bedürfnis nach einem Mittel gegen das neue Coronavirus ist groß. Fast täglich gibt es Neuigkeiten zu Impfstoffen und Medikamenten. Die großen Hoffnungen liegen bei der pharmazeutischen Industrie. "Wir alle arbeiten unter Hochdruck", bekräftigten Ingo Raimon, Präsident des Forums der forschenden pharmazeutischen Industrie Österreich (FOPI), und Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin der Medizinmarktaufsicht in der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, in einer gemeinsamen Pressekonferenz.

"Es geht nicht von heute auf morgen", so das ernüchternde Eingangsstatement von Raimon, der die Sicherheit in allen Phasen einer Medikamenten- und Wirkstoffentwicklung in den Vordergrund hob. Derzeit seien 120 Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Sars-CoV-2 am Laufen.

Drei Säulen

Die drei entscheidenden Säulen, die trotz des hohen Bedürfnisses nach einem Mittel gegen Sars-CoV-2 nicht zu vernachlässigen sind, bleiben die Wirksamkeit, die Sicherheit und die Qualität in der Produktion. In jedem dieser Bereiche könnte es durch Defizite bei den Forschungsergebnisse im Zuge der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen immer wieder zu Rückschlägen kommen, waren sich beide einig. "In 20 Jahren intensiver Forschungsarbeit konnte keine Impfung gegen HIV gefunden werden", nannte Raimon ein prominentes Beispiel. Denn Viren stellen die Forschung vor Herausforderungen sehr unterschiedlicher Natur.

"Forschung ist auch finanziell ein Hochrisikoprojekt", betont Raimon, und es sei auch schon vorgekommen, dass sich erst in der letzten Phase einer klinischen Studie, also dann, wenn Wirkstoffe an tausenden Probanden getestet wurden, herausstellte, dass sie den Anforderungen nicht genügen. Man arbeite intensiv mit den Behörden zusammen, gewisse Abschnitte einer klinischen Prüfung ließen sich dadurch abkürzen. Doch die Ergebnisse jedes einzelnen Prüfungsstufe entscheiden über das weitere Vorgehen. Die letzte der drei Phasen einer klinischen Forschung könne auch drei Jahre dauern, und es ist auch schon vorgekommen, dass Medikamenten- oder Impfstoffentwicklungen ganz eingestellt werden mussten, obwohl an diesem Punkt bereits Milliarden Euros investiert waren.

Produktion und Verteilung

"Geld allein kann eine Lösung gegen Sars-CoV-2 nicht erzwingen", ist Raimon überzeugt. Derzeit sind über 100 Substanzen in der klinischen Prüfung. Österreich arbeite in Zulassungsverfahren eng mit der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zusammen. Für Remdesivir als Mittel gegen Covid-19 sähen die Daten vielversprechend aus, so Wirthumer-Hoche, die immer auch die Produktionskapazität von Arzneimittelanbietern im Blick hat.

Sollte es einem oder mehreren der über 100 Impfstoffkandidaten gelingen, die vielen Hürden der klinischen Prüfung zu nehmen, ist die Herstellung für die gesamte Bevölkerung eine zentrale Frage. Hinter jedem Impfstoff steht immer auch eine technische Plattform, auf der sie entwickelt werden. Sowohl Raimon als auch Wirthumer-Hoche hoffen, dass es mehrere Impfstoffkandidaten bis zur Zulassung schaffen werden. Und: "Wir werden auch ein Konzept brauchen, nach denen die Impfstoffe verteilt werden", sagt sie. Vorrang könnten die Risikogruppen bekommen.

Forschung in Österreich

Was in Nicht-Covid-Zeiten ein streng reglementierter Prozess ist, kann auch jetzt aus Sicherheitsgründen nicht aufgegeben werden. Weltweit laufen aktuell über 9.000 industriefinanzierte klinische Studien, davon rund 4.000 in Europa. Raimon hofft, dass Österreich in einem zunehmend globalisierten Markt ein wichtiger Forschungsstandort bleiben wird. (Karin Pollack, 15.5.2020)