Bewegung reguliert auch das Gehirnstoffwechsel und damit die Stimmungen.

Foto: istockphoto

Unsere Stimmung wechselt von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag. Nicht erst in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Corona ist es wichtig, den eigenen Gefühlshaushalt gut zu managen. Um die eigene Stimmung in der Balance zu halten, greifen Menschen auf verschiedene Betätigungen zurück. Sie treiben etwa Sport, wenn sie in gedrückter Stimmung sind, um positive Emotionen in sich hervorzurufen. Nun haben sich Forscher um den Psychiater Guy Goodwin von der University of Oxford genauer angeschaut, wie es um die Fähigkeit zur Stimmungsregulation in der Allgemeinbevölkerung bestellt ist.

Die im Fachblatt "Jama Psychiatry" veröffentlichte Studie untersuchte mehr als 58.000 Teilnehmer aus Ländern mit durchschnittlich niedrigem, mittlerem und hohem Einkommen wie Frankreich, der Schweiz, China und Indien. Sie nahm unter die Lupe, wie Menschen ihre Stimmung durch die Wahl ihrer Alltagsaktivitäten regulieren. Die Teilnehmer wurden dazu über eine App mehrmals am Tag danach gefragt, wie sie sich momentan fühlen und was sie gerade machen. Dabei verglichen die Forscher Menschen mit schlechter Stimmung oder einer Vorgeschichte von Depression mit Menschen mit guter Stimmung.

Positiv ausgerichtet

Das Ergebnis: Menschen mit einer durchschnittlich positiveren Stimmungslage haben offenbar ein besser funktionierendes Stimmungsmanagement. Wenn sie sich schlecht fühlten, neigten sie zu Aktivitäten, die im Normalfall die Stimmung heben – wie etwa Sport treiben. Wenn es ihnen dann besser ging, nahmen sie notwendige, aber weniger freudvolle Tätigkeiten auf wie etwa Hausarbeit. Somit halten sie ihre Stimmung in einem positiven Gleichgewicht.

Diese Fähigkeit, die Stimmungen in der Balance zu halten, war bei Menschen mit tendenziell schlechter Gemütsverfassung gestört. Bei Personen mit Depressionen war sie sogar überhaupt nicht vorhanden. Wenn sie sich in schlechter Gemütsverfassung befanden, wählten sie keine Tätigkeiten, die ihre Stimmung auf Trab brachten.

Die Forscher um Guy Goodwin führten auch Computersimulationen durch. Diese zeigten: Eine schlechte Fähigkeit, die eigene Stimmung zu regulieren, sagte häufigere und längere depressive Episoden voraus. Wie sich die herausstellte, fiel die Wirkung der jeweiligen Betätigung auf die Stimmung je nach Kultur durchaus unterschiedlich aus. Sport führte in Ländern mit hohem Einkommen zum höchsten Stimmungsanstieg. Während Religion in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen für den größten Stimmungsschub sorgte.

Tun und fühlen

Die Sportpsychologin Sabine Würth von der Universität Salzburg hält die Studie für eine interessante Arbeit. Allerdings hat sie auch einen Kritikpunkt. Leider werde in der Studie nur erhoben, welchen Tätigkeiten die befragten Personen nachgehen und welche Stimmung sie dabei haben. "Es wird aber nicht erfasst, ob die Befragten ihre Stimmung bewusst mit verschiedenen Tätigkeiten zu regulieren versuchen, weil sie wissen, dass beispielsweise Sport ihre Stimmung steigert, oder ob sie intuitiv zu diesem Stimmungsmanagement greifen.

Die Studie bestätigt mit ihrer großen Stichprobe, was auch andere Studien nahelegen. Menschen mit schlechter Stimmung und Depressionen haben Schwierigkeiten, ihre Emotionen zu regulieren."Wir wissen schon länger, dass bei Menschen mit einer Depression unter anderem der Affekt verflacht ist und das Stimmungsmanagement nicht mehr normal funktioniert", sagt Sabine Würth. "Das bedeutet, dass Aktivitäten mit einer früher positiven Wirkung auf die Stimmung die Betroffenen nicht mehr aus ihrem Stimmungstief herausholen." Die Betroffenen wissen zwar, dass beispielsweise Sport ihre Stimmung steigern könnte.

Die Erkrankung geht aber auch mit einem hohen Verlust an Energie einher, so dass sie sich in der Folge nicht mehr zu solchen Betätigungen aufraffen können. Man könne daher einem schwer depressiven Menschen nicht einfach sagen: "Jetzt beweg' dich doch mal, dann geht es dir besser!" Denn das schaffe er einfach nicht, so Würth. "Mit Medikamenten, die in den Hirnstoffwechsel eingreifen, können depressive Menschen wieder in die Lage versetzt werden, Energie aufzubauen – und dann kommt auch wieder dieses Stimmungsmanagement in Gang."

Sich selbst einschätzen

Die eigenen Stimmungen und Emotionen zu regulieren, ist auch jenseits von Depressionen ganz grundlegend für unser Wohlbefinden und unsere psychische Gesundheit. Wenn man sich etwa auf eine Prüfung vorbereitet, sind oft Gefühle der Angst im Spiel. Man kann diese Gefühle nun vermeiden, indem man sich einfach vor der Prüfung drückt. Damit wird man aber langfristig nicht erfolgreich sein. Psychologen raten vielmehr, die negativen Emotionen auszuhalten und dabei zu versuchen, die Gefühle zu regulieren. Man kann etwa die Prüfung als eine Herausforderung betrachten, die einen weiterbringt.

Überhaupt ist die gute Nachricht: Stimmungen und Emotionen zu regulieren, lässt sich lernen und trainieren. Depressive Menschen können etwa trainieren, ihre negativen Emotionen weniger zu unterdrücken. Auch wer nicht depressiv sei, kann eine hilfreiche Strategie üben. Wenn man etwa eine Situation nicht ändern kann, dann kann man versuchen, sie in einem positiveren Licht zu sehen. Und dadurch fühlt man sich besser. (Christian Wolf, x.5.2020)