Harald Irka und Lebensgefährtin Lisa Gasser: Neustart im Pfarrhof von Tom Riederer im südsteirischen Sausal.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Man sieht förmlich übers Telefon, wie kokett der vielfach ausgezeichnete Koch Tom Riederer dreinschaut, wenn er seine Rolle in der neuen Konstellation mit Harald Irka im bisher als Tom R bekannten Restaurant benennt: "Küchenhilfskraft." Ganz so unernst, wie man aufs Erste glauben möchte, ist er dabei aber nicht. Schließlich sind die beiden Multihauber die einzigen Arbeitskräfte in der Küche des alten Pfarrhofs von Sankt Andrä im Sausal. Und Irka ist ganz ohne Frage der Küchenchef.

Eine solche Naturgewalt von Kochtalent, wie es der nunmehr 28-jährige Irka ist, gibt es schließlich nur alle heiligen Zeiten einmal. Ein richtig guter Koch wie Tom Riederer erkennt das natürlich. Er hat noch dazu die Größe, dies auch einzugestehen. Außerdem sollen Irka und seine Lebensgefährtin Lisa Gasser das Haus in den kommenden Jahren sukzessive übernehmen, während Riederer und seine Frau Katarina planen, sich nach Istrien zu verfügen – um dort etwas Neues aufzumachen.

Harald Irka war vor bald zehn Jahren wie ein Blitz in die gar so gemächliche heimische Gourmetszene gefahren. Nicht etwa wegen eines extrovertierten Naturells: Irka lässt damals, in der Sazianistub’n, wie heute, im Pfarrhof von St. Andrä, lieber seine Küche sprechen. Aber wegen der atemberaubenden Sicherheit in der Kombination, der speziellen Affinität zu (so oft missachtetem) Gemüse und Kräutern und der Anmut, mit der er es versteht, diese in Szene zu setzen. Dazu kam natürlich das Überraschungsmoment: Woher nur hatte dieser damals 18-jährige Schulabgänger das Verständnis, scheinbar simple Zutaten zu voll ausgereiften, vielfach unvergesslichen Kreationen zu formen?

Inzwischen ist der junge Mann auch an Jahren gereift. Eine Einladung zum Interview, die Nachfolge von Hans Haas im wohl prestigeträchtigsten Restaurant der deutschen Welt, dem Tantris in München, zu übernehmen, hatte Irka im Vorjahr dankend abgesagt. Wenn er jetzt mit Riederer und sonst niemandem, nicht einmal einer Abwaschkraft, in der Küche steht, dann versteht man gut, warum: Die riesige Tantris-Küche mit hunderten Couverts am Tag und einer mächtigen Brigade, die mit straffer Hand gezügelt werden will, verkörpert eine diametral andere Idee vom guten Essen als jene, für die sich Irka nun entschieden hat.

Abenteuer Wohlgeschmack

Es sind 14 kleine und größere Teller und Happen, auf die man sich in dem uralten Haus mit den prächtigen Gästezimmern freuen darf. Viel Gemüse wie gehabt, sehr unmittelbare Kreationen wie erhofft, ein sehr dynamisches Konzept, das keine geschriebene Speisekarte, aber täglich neue Kreationen auf jener imaginären vorsieht, die nur in Irkas Kopf existiert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Spargel mit Sauerkirschleder, Liebstöckel und geräuchertem Schafkäse von Nuart ist so eine Kombination, die vom totalen Kontrast lebt, ohne überhochmetzt zu wirken. Im Gegenteil: Knackig, belebend, pur, frisch sind Assoziationen bei diesem Gericht, für das sich die kraftvollen Aromen dem Spargel wie dressiert unterordnen. Oder Saibling aus einer nahen Zucht, roh mariniert, ein luxuriös wächserner Sockel für die Komposition aus Sulmtaler Kapaunenleber (berückend zart und doch so mächtig!), Radieschen-Kimchi, gegrillter Gurke, grünen Koriandersamen und Haselnuss, die darauf arrangiert wird.

Maibock, in Johannisbeerblätter gehüllt und sehr dezent erwärmt, wird mit knackigen Tortelloni aus roh mariniertem Kohlrabi mit Mohn und Brennnessel sowie einem meisterlich molligen Jus gepaart: ganz große Frühlingsküche, auf die zu warten die Selbstisolation beinahe wert war. Ribeye von der extraalten Milchkuh, ein Stück Herrlichkeit von unfassbar langem Nachhall am Gaumen, bekommt nichts als gegrillte Winterzwiebel und geräucherten Essig an die Seite. Dass das Gemüse im Kontrast zum Fleisch geradezu unkeusch jung ist, entgeht dem Gast schon deshalb nicht, weil Katarina Riederer es erst unmittelbar vor dem Servieren aus dem hauseigenen Garten in die Küche bringt. (Severin Corti, 15.5.2020)

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