Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Geht es nach der Bundesregierung, sollen regionale Lebensmittel künftig steuerlich begünstigt werden. Weitgereiste Nahrung hingegen will sie teurer machen. Das soll den Konsumpatriotismus fördern und Österreichs Landwirte stärken. Die Politik macht sich nun daran, dafür ein rechtskonformes Konzept auszuarbeiten.

Geht es nach der Politik, soll beim Preis für Obst und Gemüse künftig auch die Herkunft zählen. Importware hat das Nachsehen.
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Dieses steht aber bereits im Vorfeld auf wackeligen Beinen. Denn quer durch die Lebensmittelbranche zeichnet sich heftiger Widerstand ab. Von einem Rückfall in staatlich gelenkte Planwirtschaft ist die Rede – und von gefährlichem Protektionismus, der für eine kleine exportorientierte Volkswirtschaft zum Boomerang werde.

Macht der Händler

Auch darf die Rechnung nicht ohne den Wirt gemacht werden: Ein Bonus-Malus-System bedingt die Unterstützung des Lebensmittelhandels. Dieser ließ sich allerdings schon bisher nicht vor den Karren der Landwirtschaftspolitik spannen. In seiner Rolle als Erhalter der Infrastruktur hat er in den vergangenen zwei Monaten weiter massiv an Macht gewonnen.

Was steckt hinter der Liebe der Regierung zur Regionalität? Österreichs Bauern bangen um ihre Einnahmen. Die Molkereiwirtschaft kämpft mit Überschüssen. Die Corona-Krise ließ ihre Exporte versiegen. Der Markt für Gemeinschaftsverpflegung und Gastronomie, in den gut ein Drittel der Milchmengen fließt, vertrocknete ebenso. Nicht weniger unter Druck stehen Fleischproduzenten. Der wochenlange Stillstand allen öffentlichen Lebens ließ vor allem den Absatz an Rindfleisch einbrechen.

Preise im freien Fall

In Deutschland sind in der Folge die Preise für Butter im freien Fall. Auch Fleisch wird sich für Konsumenten international deutlich verbilligen. Bis dieser Sog Österreich erfasst, ist es nur eine Frage der Zeit. Die Bauern versuchen nun gegenzusteuern und hoffen auf die Solidarität des Handels.

Dies bedingt jedoch Schützenhilfe auf höchster politischer Ebene. Also riefen VP-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), VP-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) diese Woche zum "Regionalgipfel" mit den Chefs der großen Supermarktkonzerne, wie Spar-Boss Gerhard Drexel. Nicht am Tisch mit dabei: Rudolf Anschober, Minister für Konsumentenschutz (Grüne).

Milch gibt es seit Corona im Überschuss. In Deutschland schmelzen die Preise für Butter.
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Im Raum schwebte ein kartellrechtlich äußerst heikles Thema: der Wunsch der Bauern, die Preise trotz internationaler Bewegung nach unten hierzulande stabil zu halten. Dabei gibt es noch Potenzial, ließ Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger im Anschluss wissen. Erzielt worden sei jedenfalls ein Bekenntnis des Handels zur Regionalität.

Dieses gebe es schon seit Jahrzehnten, versichert Spar-Sprecherin Nicole Berkmann auf Nachfrage. Der Handel habe ohnehin alles im Sortiment, was in Österreich produziert werde. Mehr regional als bisher sei aufgrund begrenzter Erntesaisonen nicht möglich. Die Regierung sieht das anders. Landwirtschafts-, Finanz- und Klimaschutzministerium erhielten den Auftrag, ein entfernungsabhängiges Bonus-Malus-System für Nahrungsmittel in die Wege zu leiten.

Alles Red Bull selbst trinken?

Als Ökonom freuen ihn Steuersenkungen, meint Franz Sinabell. Der Experte des Wifo gibt aber zu bedenken, dass die wohlgemeinte Maßnahme nach hinten losgehen könne und neue Baustellen aufreiße, zumal Österreich ja weit mehr produziere, als das Land benötige. "Müssen wir dann auch alles, was wir erzeugen, selbst konsumieren, von Milch über Rindfleisch bis zu Red Bull?" Zukunftsfähiger sei es, fossile Treibstoffe finanziell zu belasten. Denn kostspieligere Transporte stärkten die lokale Produktion und senkten zugleich die CO2-Emissionen. "So erwischt man zwei Fliegen auf einen Schlag."

Auch aus Sicht vieler Lebensmittelhersteller wurde die geplante Lenkung der Warenströme über Besteuerung nicht zu Ende gedacht. Denn Österreich ist nur bei Trinkmilch, Zucker und bei einzelnen Fleischarten Selbstversorger. Ob bei Gemüse, Obst, Öl und Ölsaaten, Getreide, etwa für Futtermittel, aber auch bei Butter und Eiern sind Verarbeiter auf Importe angewiesen, vor allem im Winter – noch mehr, wenn es durch Dürre oder Frost zu Ernteausfällen kommt. Diese Produkte zu verteuern würde vor allem Haushalte mit geringen Einkommen treffen.

Der Handel mit Südfrüchten kreist um Importe. Ein Bonus-Malus-System würde sie verteuern.
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An ordentlichen Preisen für die Bauern führt kein Weg vorbei, ist Hartwig Kirner, Chef von Fairtrade Österreich, überzeugt. Ein Regional-Bonus sei aber der falsche Zugang. Statt den Maßstab bei der Entfernung anzusetzen, gehörten mehr ökologische Kriterien gefördert. Abgesehen davon, dass Europa selbst der größte Exporteur von Lebensmitteln sei – "soll für Salzburger dann Marchfelder Gemüse teurer sein als jenes aus Bayern?"

Kein Garant für Qualität

Andere Kritiker einer steuerlichen Bestrafung internationaler Lebensmittel betonen, dass Regionalität allein kein Garant für höhere Qualität sei. Der Anteil der Logistik an der Klimabilanz sei zudem oft geringer als jener der Pestizide und Energie. Mehr als fraglich sei auch, ob ein alter österreichischer Dieseltraktor dem Klima mehr diene als ein modernes Arbeitsgefährt in der Slowakei.

Für Michael Blass, Chef der Agrarmarkt Austria, haben es weniger neue Steuermodelle als die Supermärkte in der Hand, die Vielfalt regionaler Produktion zu erhalten. Seit Corona spielten diese mehr denn je eine Schlüsselrolle. "Österreichs Bauern haben bewiesen, dass sie in der Lage sind, jeden Tag den Tisch zu decken." (Verena Kainrath, 15.5.2020)