Um die Wiederholungen von "Soko Kitzbühel" rangeln ORF 1 und ORF 3 gerade – am Hauptabend ist die Sache klar: "Tod zum Selbermachen" läuft am 9. Juni in ORF 1. Im Bild aus dieser Folge (v. li.): Jakob Seeböck (Lukas Roither), Julia Cencig (Nina Pokorny), Peter Buchta (Einsatzleiter).

Foto: ORF/BEO-Film/Stefanie Leo

2021 gehe dem ORF das neue Programm aus, wenn die Produktionsfirmen nicht rasch wieder zu drehen beginnen können, sagte ORF-Chef Alexander Wrabetz diese Woche dem STANDARD: "Relativ bald im neuen Jahr können wir nur noch auf Wiederholungen zurückgreifen." Schon jetzt beginnen ORF-Sender untereinander um Wiederholungen zu rangeln – Kulturspartenkanal ORF 3 und der jüngere Küniglberg-Kanal ORF 1 wiederholen den ORF-1-Serienerfolg "Soko Kitzbühel" gleichermaßen im Nachmittagsprogramm.

Wie kommt es zum eigenwilligen Programmstreit um die Alpen-Kieberer? Die Senderchefs – Elisabeth Totzauer bei ORF 1 und Peter Schöber bei ORF 3 – wollen sich auf STANDARD-Anfrage zum Kleinkrieg um die Kitzbühel-Cops nicht äußern. Soweit von außen nachvollziehbar: mit zwei sehr unterschiedlichen Zugängen, wie bei Auseinandersetzungen aller Art üblich. So was kommt vielleicht in den besten Familien vor, in gut abgestimmten Senderfamilien ist derlei aber eher unüblich.

Wie kann man sich als Außenstehender die zwei internen Perspektiven auf dieselbe Serie vorstellen? Soweit nach der Faktenlage erkennbar:

"Soko" samstags statt "The Mick" und "Simpsons"

Erklärtes Ziel und Aufgabe von ORF 1 ist: Aus dem international bestückten Kaufseriensender soll ein erkennbar österreichisches öffentlich-rechtliches Programm werden. Das versucht Totzauer seit 2018 mit neuen Nachrichten-, Doku- und Talkformaten, mit Quiz im Vorabend. Und seit 2. Mai am Samstagnachmittag mit Wiederholungen der österreichischen Serie "Soko Kitzbühel" statt internationaler Kaufware.

ORF 3 ist seit Gründung 2011 ein ORF-Sender außerhalb der ORF-Fernsehstrukturen: Genehmigt und definiert ist der von Alexander Wrabetz initiierte Sender als Spartenkanal für Information und Kultur. Er hat mit heute rund 20 Millionen Euro Budget nur rund ein Viertel der Mittel wie ORF 1 und ORF 2 – wenn man rund 80 Millionen für Sport berücksichtigt sogar ein Achtel des Budgets von ORF 1. Er arbeitet aber auch abseits traditioneller ORF-Strukturen und internen Verpflichtungen und produziert weit günstiger als ORF 1 und ORF 2. ORF 3 war vom Start weg direkt dem ORF-Generaldirektor zugeordnet und nicht der Fernsehdirektion (aus der Wrabetz inzwischen eine Programmdirektion machte).

"Alles aus dem Archiv"

Mit dem überschaubaren Budget kommt ORF 3 nicht allein wegen seiner günstigeren Produktionsmöglichkeiten aus. Der Sender bedient sich auch recht intensiv im ORF-Archiv – nach der teuren Erstausstrahlung, wenn wesentliche Teile der von den Produzenten verrechneten Kosten nach ORF-Usus fällig werden, wird das Programm ja sehr günstig.

Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, kritisierte den deklarierten Kultur- und Informationsspartenkanal Anfang 2020 im STANDARD-Interview mit: "Alles aus dem Archiv zu senden ist vielleicht ein zu weiter Kulturbegriff." Doch recht überspitzt: ORF 3 produziert etwa 40 bis 50 Klassiktermine mit Staatsoper, Musikverein und Co, wenn dem keine Corona-Maßnahmen entgegenstehen.

"Soko" werktäglich auf ORF 3

Fast zeitgleich mit ORF 1 – eine Woche danach – begann ORF 3 Wiederholungen von "Soko Kitzbühel" am Nachmittag zu programmieren. Wochentags je drei Folgen von etwa 16 Uhr bis in den Vorabend – eine Zeitzone, in der Sender üblicherweise Marktanteile aufbauen, wenn es von der Arbeit langsam in den Feierabend geht.

Gleichstand im Sommer

"Soko" auf Dauerfeuer am Nachmittag: Ein Auszug aus der ORF-Programmplanung für die nächsten Wochen.
Foto: Screenshot ORF-Programm

ORF 3 begann mit Staffel 1, ORF 1 setzte am Samstag mit Staffel 7 ein. Wenn sie die "Soko"-Wiederholungen in diesem Rhythmus weiter programmieren – und danach sieht es in der bisher erkennbaren Planung aus –, dann dürften die beiden ORF-Kanäle im kommenden Sommer auf demselben Soko-Stand sein – also dieselben Folgen parallel zeigen. Einerseits auf dem dezidiert auf ein jüngeres Publikum ausgerichteten ORF 1, wo "Soko Kitzbühel" erstausgestrahlt wird. Andererseits auf dem Spartenkanal für Kultur und Information ORF 3, wo wiederum ein älteres Publikum wartet.

ORF-3-Chef Peter Schöber will sich nicht zu der Serienauseinandersetzung äußern. Er verweist auf Anfrage lieber darauf, dass ORF 3 die Hälfte der Corona-Sondersendungen gezeigt habe und die "Abstimmung mit ORF 2 da erstklassig funktioniert hat". Schöber, er spricht gelegentlich auch von drei ORF-Hauptsendern: "Wir haben so viel Information, da bietet man in programmlich vernünftigen Zonen auch dazwischen eskapistisches Programm" – wie die "Soko Kitzbühel"-Wiederholungen.

ORF-General mit innerem Konfliktpotenzial

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat – nicht nur in diesem kleinen, skurrilen "Soko"-Streit – eine Doppelrolle mit innerem Konfliktpotenzial: Einerseits ist ORF 3 eine seiner wichtigsten und erfolgreichsten Taten als (ohne Unterbrechung) längstdienender ORF-Chef aller Zeiten. Entsprechend groß ist die Sympathie des Opernliebhabers für seinen Kanal. Andererseits ist es die Aufgabe des Alleingeschäftsführers des Milliardenunternehmens, eine klare Positionierung und Flottenstrategie für das optimale Zusammenspiel aller ORF Kanäle vorzugeben und durchzusetzen.

Wrabetz hat auch anderswo Sinn für Besetzungen mit Spannungspotenzial: Ende 2018 bestellte der ORF-General nach der formellen Ausschreibung, Bewerbungen und internen Assessments doch keinen der Bewerber zum Unterhaltungschef des ORF, sondern machte Alexander Hofer interimistisch zum Unterhaltungschef. Ein fachlich sehr passender Kandidat – den Wrabetz nur schon im Mai 2018 zum Channel Manager von ORF 2 bestellt hatte. Mit der interimistischen Bestellung wurde Hofer Chefunterhalter nicht nur von ORF 2, sondern auch von ORF 1.

Donnerstag hat Wrabetz ORF-2-Manager Hofer nach STANDARD-Infos als interimistischen Nebenerwerbs-Unterhaltungschef für beide ORF-Hauptkanäle um weitere sechs Monate verlängert. (fid, 16.5.2020)