Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wirft Bolsonaro vor, durch die Forderung nach einer raschen Öffnung der Wirtschaft das Land ins Chaos zu treiben.

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Sao Paulo – Der brasilianische Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat seinem ultrarechten Nachfolger Jair Bolsonaro vorgeworfen, wegen unzureichender Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus einen "Völkermord" zu verursachen. Er forderte die Amtsenthebung Bolsonaros.

Die Regierung mache aus jedem, der sich vor dem Erreger fürchte, einen Feind, kritisierte der Linkspolitiker in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP. Bolsonaro gilt als Gegner der Corona-Restriktionen in mehreren Teilstaaten. Die Lungenkrankheit Covid-19, an der bereits fast 14.000 Brasilianer starben, bezeichnete er als "kleine Grippe". Der Präsident treibe das Land mit seinen Aufrufen, die Wirtschaft zu öffnen, ins Chaos, kritisierte Lula. "Ich bin katholisch, daher bete ich für die Brasilianer, damit sie dem Genozid entkommen, den Bolsonaro auslöst."

Lula: Keine "ideologische Konnotation"

Der 74-jährige Ex-Präsident verurteilte auch den Einsatz der Armee für Bolsonaros Belange. Derzeit seien die Soldaten "weniger Zivilisten als Militäroffiziere im Präsidentschaftspalast", sagte Lula. Die Armee habe unter Bolsonaro "sogar mehr Einfluss in der Regierung als während der Militärdiktatur".

Angesichts seiner Attacken "auf die Demokratie, demokratische Institutionen und das brasilianische Volk" müsse Bolsonaro des Amtes enthoben werden, forderte weiter. Er sei jedoch dagegen, dass eine Bewegung für ein Amtsenthebungsverfahren von einer Partei ausgehe. Eine "ideologische Konnotation" eines solchen Prozesses müsse vermieden werden.

Anschuldigungen bezüglich Einmischung in die Polizeiarbeit

Bolsonaro steht derzeit schwer unter Druck der Justiz. Im April hatte das Oberste Gericht die Bundespolizei angewiesen, Anschuldigungen wegen Einmischung in die Polizeiarbeit zu untersuchen. Die Ermittlungen könnten in ein Amtsenthebungsverfahren münden.

Die Anschuldigungen wurden vom inzwischen zurückgetretenen Justizminister Sergio Moro erhoben. Der ehemalige Richter hatte 2017 Lula zu einer langjährigen Haftstrafe wegen Korruption verurteilt. Der wies die Vorwürfe stets als politisch motiviert zurück. Im November vergangenen Jahres kam Lula frei. Er war von 2003 bis 2010 Präsident Brasiliens und in der Bevölkerung äußerst populär. (APA, 15.5.2020)