Foto: screenshot kurier.at

Der "Kurier" hat einen Widerruf veröffentlicht: Staatsanwältin Maria-Luise Nittel, heute leitende Staatsanwältin in Wien, habe 1997 nicht an einem Geheimtreffen von Juristen in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei teilgenommen, bei dem es um Strategien für mehr Sozialdemokraten in der Justiz ging. Nicht zum ersten Mal: Dieselbe Behauptung hat der "Kurier" schon 2011 richtiggestellt.

Im Februar 2020 ließ die ÖVP ein Protokoll über das "Geheimtreffen" kursieren, um zu untermauern, was Kanzler Sebastian Kurz in einem Hintergrundgespräch vor Dutzenden Journalisten über die österreichische Justiz behauptet hatte. Sie wäre von der SPÖ unterwandert, verfolge nur Vertreter der ÖVP und der FPÖ und spiele Informationen über diese an die Medien.

Das Innenpolitikressort des "Kurier" wollte das Papier am 7. Februar 2020 vor einer Veröffentlichung noch prüfen. In der Nacht auf den 8. Februar 2020, nach Mitternacht, stellte Onlinechef Richard Grasl eine Story darüber auf Basis des Protokolls, aber ohne Rückfrage bei Staatsanwältin Nittel, online. Intern abgesprochen, erklärte "Kurier"-Chefredakteurin Martina Salomon dazu. Der Redakteursausschuss des "Kurier" protestierte indes bei "Kurier"-Führungskräften heftig über die Vorgangsweise, er verlangte in dem Protestmail etwa Abstimmung mit dem betroffenen Ressort.

Nittel hat schon 2011 eine Gegendarstellung beim "Kurier" erwirkt, damals veröffentlichte das Medienhaus sie auf Basis eines Vergleichs mit Nittel. Nittel hat nach der neuerlichen Veröffentlichung angekündigt, den "Kurier" wieder zu klagen; das Justizministerium legte den Vorfall dem Presserat vor.

Der Widerruf des "Kurier" in derselben Sache, veröffentlicht am 14. Mai 2020, wörtlich:

"Wir haben in unserem Artikel "Streit um die Justiz: Wie die SPÖ ihr Personal unterbringen wollte" vom 8. Februar 2020 behauptet, dass die leitende Staatsanwältin in Wien, Frau HR Dr. Maria-Luise Nittel, im Juli 1997 an einem Geheimtreffen hochrangiger, der SPÖ nahestehende Juristen in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei teilgenommen habe, bei dem generalstabsmäßig geplant worden sei, den SPÖ-Einfluss bei der Personalpolitik bei Richtern und Staatsanwälten zu erhöhen.Wir widerrufen hiermit diese Behauptung als unwahr."

(fid, 15.5.2020)