Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): Reporter ohne Grenzen kritisiert Einschränkungen für Fotografen im Parlament.

Foto: APA/Robert Jäger

Seit Dienstag gelten für Pressefotografen Zugangsbeschränkungen innerhalb des Parlaments. Demnach dürfen sie nur noch aus einer seitlich des Plenarsaals eingerichteten Loge fotografieren. Frontale Bilder vom Rednerpult seien nicht möglich, protestiert die Österreich-Sektion der Pressefreiheitsorganisation Reporter ohne Grenzen. Update: Die Parlamentsdirektion weist die Kritik und die vermuteten Begründungen als "absurd" zurück.

"Die Missachtung der Medienschaffenden und insbesondere der Fotografinnen und Fotografen hat diese Woche ein neues Ausmaß angenommen", kritisiert Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich.

Die Parlamentsdirektion habe die Beschränkung mit Beschwerden von Nationalratsabgeordneten über anwesende JournalistInnen erklärt, erklärt RSF in einer Aussendung. Die Lage von Fotografinnen und Fotografen sei angesichts der Corona-Beschränkungen besorgniserregend, kritisiert Reporter ohne Grenzen: "Während Branchenvertreter von bis zu 70 Prozent Einnahmeneinbußen sprechen, schränkt das Kanzleramt die Bewegungsfreiheit von FotografInnen innerhalb des Parlaments weiter ein."

Reporter ohne Grenzen: "Abgeordnete lieber unbeobachtet"

Möhring: "Auch wenn sich manche Abgeordnete lieber unbeobachtet bei ihren diversen parlamentarischen Aktivitäten fühlen wollen, so müssen in der höchsten demokratischen Institution dieser Republik die Grundregeln der Pressefreiheit doch eingehalten werden." Dazu zähle, dass die Bevölkerung die Vorgänge im Parlament genau verfolgen können, auch visuell. Es müsse verhindert werden, dass ein uniformiertes Bild in der öffentlichen Wahrnehmung entsteht.

Parlamentsdirektion: "Absurde Unterstellung"

  • Update: Als "absurd" weist Karl-Heinz Grundböck den Vorwurf zurück, Abgeordnete würden lieber unbeobachtet agieren. Der Leiter der strategischen Kommunikation in der Parlamentsdirektion verweist auf Livestreams von jeder Parlamentssitzung. Seit vergangenem Herbst seien Sitzungen und alle Redebeiträge über Jahre abrufbar, verknüpft mit den stenografischen Protokollen der Sitzungen und den Gesetzesmaterialien. Im Gegensatz zur "Unterstellung" von Reporter ohne Grenzen versuche die Parlamentsdirektion, "Öffentlichkeit und Medienöffentlichkeit immer weiter auszubauen".
  • Die Regelung für Medien stelle klar, dass es wie bisher im Parkett des Plenarsaals auch auf der Galerie, wo wegen des Corona-Abstands ein Drittel der Abgeordneten derzeit sitzt, Medienvertreter während Sitzungen keinen Zutritt hätten, erklärt Grundböck. Für Medienvertreter, Journalisten wie Fotografen, gebe es einen "Medienbalkon". Und damit Medien auch frontale Bilder der Redner zur Verfügung stünden, habe die Parlamentsdirektion auf der Galerie einen zentralen Platz für einen Fotografen oder eine Fotografin der Nachrichtenagentur APA reserviert. Diese Bilder müsse die APA laut Vereinbarung mit der Parlamentsdirektion kostenfrei allen Medien zur Verfügung stellen, sagt Grundböck dem STANDARD.

ROG vermisst staatliche Unterstützung

Reporter ohne Grenzen vermissst staatliche Unterstützung von Berufsfotografen und -fotografinnen in deren prekärer beruflicher Lage in der Coronakrise. Besonders existenzgefährdend sind die verhängten Maßnahmen für Event- und SportfotografInnen, aufgrund des geltenden Veranstaltungsverbots bis Ende Juni werde sich die Lage nicht schnell entspannen. Bevorzugung der APA-FotografInnen in den vergangenen Wochen bei Regierungspressekonferenzen habe "stark wettbewerbsverzerrend gewirkt", findet Reporter ohne Grenzen.

Kurz im Kleinwalsertal: "Respektlosigkeit gegenüber Medienschaffenden"

Reporter ohne Grenzen kritisiert zudem den Umgang mit Medien im Zusammenhang mit dem Auftritt von Kanzler Sebastian Kurz im Kleinwalsertal: Kamerateams und Journalisten würden nun dezidiert beschuldigt, die Sicherheitsvorkehrungen nicht beachtet zu haben. "Wir können froh sein, dass FotografInnen und Kameraleute vor Ort waren, die diesen verantwortungslosen und gefährlichen Auftritt dokumentiert haben," so Rubina Möhring von Reporter ohne Grenzen (RSF) Österreich. Sie spricht von "Respektlosigkeit der Verantwortlichen gegenüber den Medienschaffenden".

"Medienvielfalt muss in Zeiten, in denen sich die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Bildschirm konzentriert, unbedingt auch Bildvielfalt bedeuten", erklärt Möhring grundsätzlich. "Die Fotografie ist eines der wichtigsten Instrumente der politischen Kommunikation und sollte dementsprechend gewürdigt werden." (red, 15.5.2020)