Ron und Russell Mael erfreuen als Sparks mit neuem Album.

Foto: Lil’ Beethoven

Wer sich dem Altersstarrsinn früh ergibt, hat später im Leben leicht locker sein. Ein Beispiel für diese Theorie sind die Sparks. Ron und Russell Mael sind eines der längstdienenden Brüderpaare des Musikgeschäfts und das mit Abstand eigenwilligste. Obwohl sie sich
im besten Golf-in-der-Altersresidenz-in-Arizona-oder-Florida-wäre-da-nicht-dieser-Trump-Alter befinden, produzieren sie weiterhin Alben. Soeben ist a A Steady Drip, Drip, Drip erschienen. Schon der die Tröpfchenfolter evozierende Titel erinnert daran, dass ihre Musik oft etwas überspannt klingt.

SPARKS

Daran hat sich seit den frühen 1970ern nichts geändert. Das Falsett des 71-jährigen Russell, Ron ist 74, mag nicht mehr so sehr in den Schritt gehen wie damals, als sie mit This Town Ain’t Big Enough For The Both Of Us (1974) ihren großen Hit hatten. Doch es zeitigt immer noch Wirkung, verleiht den 14 neuen Stücken nicht nur ihr Erkennungsmerkmal, sondern verdeutlicht die anhaltende Getriebenheit, die der Sparks-Musik eigen ist.

Kontrolliere Hysterie als Markenzeichen

Die aus Kalifornien stammenden Brüder poppten in den frühen 1970ern in England auf. Sie waren Gesinnungsgenossen von David Bowie, T. Rex oder Roxy Music und nahmen ästhetisch etwa Queen vorweg. Russels kontrollierte Hysterie wurde zum Markenzeichen ihrer vornehmlich in Europa erfolgreichen Musik. Zu Hause gelangen der Band zwar einige Achtungserfolge, doch als Markt zeigte sich Europa als empfänglicher für die Exzentriker. Obwohl Ron sich bald einen Bart stehen ließ, bei dem nur wenige Europäer zuerst an Charlie Chaplin dachten.

Ihre letzten Alben waren allesamt relativ eingängig. Vor allem das mit ihren Fans Franz Ferdinand eingespielte FFS (2015) war nachgerade konventionell, wenn man die Ästhetik der Sparks nach fünf Jahrzehnten langsam als gegeben nimmt. Es förderte das beste von beiden zutage. Andererseits können die Brüder zu einem Musical über den schwedischen Regisseur Ingmar Bergman natürlich nicht Nein sagen, so viel Sprunghaftigkeit muss sein.

SPARKS

Doch diese liegt vor allem darin begründet, dass sich die Band nicht wiederholen will. Früh entwickelte sich da bei den Brüdern die Gewissheit, dass zu viele Bandmitglieder zu viele Meinungen bedeuten. Deshalb emanzipierten sich die beiden über die Jahre zu einem Alleinherrscher-Duo (sic!).

Altersmilde und nervös

A Steady Drip, Drip, Drip ist gewissermaßen altersmilde, wobei ein nervöses Lied wie Stravinsky’s Only Hit sogleich die Antithese zu dieser Aussage ist. Doch zu dem anschließend locker eingestreuten Left Out In The Cold kann man edel wie ausgelassen das Tanzbein schwingen.

Zackige Gitarren treffen große Gesten, Pathos auf Synthiepop. Wendig wie eh und je – aber ohne das Nervenkostüm ihres Publikums über die Maßen zu strapazieren –, ist den Sparks ein schönes Popalbum gelungen, das sie einmal mehr als die besseren Pet Shop Boys ausweist. Und am Ende geben sie sich gar politisch – mit der den Fridays for Future zugedachten Ballade Please Don’t Fuck Up My World. Nicht ihr bester Song, aber eine schöne Geste. Auch das zählt. (Karl Fluch, 16.5.2020)