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Kinder erkranken seltener und weniger schwer an Covid-19. Nun mehren sich aber Berichte über – immer noch seltene – Entzündungserkrankungen nach Covid-19 bei Minderjährigen.

Foto: Reuters/Johanna Geron

Kinder und Jugendliche spielen in so gut wie allen bisher publizierten Studien im Covid-19-Infektionsgeschehen eine Nebenrolle. Sie dürften sich zum einen nicht so leicht anstecken und entsprechend nur rund zwei Prozent aller Covid-19-Fälle ausmachen. Wenn es doch zu einer Ansteckung kommen sollte, dann zeigen sie zum anderen zumeist nur leichte Symptome: Laut einer chinesischen Studie verstarb von 2.135 nachweislich infizierten Kindern und Jugendlichen nur ein einziger Patient.

Multientzündliches Syndrom

Nun aber mehren sich Berichte von Kinderärzten aus Südeuropa und den USA, dass eine schwer verlaufende Entzündungskrankheit bei Kindern im Zusammenhang mit dem Coronavirus stehen könnte. Wie zwei führende britische Kinderärzte im Fachblatt "The Lancet" in einem Überblicksartikel berichten, ähnelten die charakteristischen Merkmale der Krankheit dem sogenannten Kawasaki-Syndrom. Es führt zu einer Überreaktion des Immunsystems, die vermutlich durch Bakterien oder Viren ausgelöst wird, und ist auch als multientzündliches Syndrom bei Kindern (MIS-C) bekannt.

Zu den bekannten Symptomen von MIS-C zählen Fieber, Entzündungen an mehreren Organen sowie eine bestätigte Coronavirus-Infektion. Einige Ärzte verglichen das Krankheitsbild mit dem seltenen Kawasaki-Syndrom, das Entzündungen der Blutgefäße hervorruft und überall am Körper zu extrem schmerzhaften Schwellungen führt. Eine direkte Verbindung zwischen der Krankheit und Covid-19 bzw. die diese konkret aussieht, wurde in der Fachliteratur indes noch nicht dokumentiert.

Nachweise aus mehreren Ländern

Erstmals hatten Ärzte in Großbritannien im April auf das Krankheitsbild hingewiesen, das Ähnlichkeiten mit dem Kawasaki-Syndrom aufweist. Inzwischen wurde es auch bei mehr als hundert Kindern in New York nachgewiesen, drei von ihnen erlagen der Krankheit. Auch in Frankreich starb erstmals ein neunjähriges Kind an den Folgen dieses mysteriösen Syndroms bzw. infolge "neurologischer Schäden im Zusammenhang mit einem Herzstillstand", so der zuständige Arzt Fabrice Michel. Tests hätten gezeigt, dass das Kind sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert hatte.

Italienische Ärzte aus Bergamo wieder berichten ebenfalls in "The Lancet" von zehn Fällen des neuartigen Syndroms, die zwischen dem 18. Februar und dem 20. April 2020 bei Kindern aufgetreten sind und die oben beschriebenen Krankheitsmerkmale zeigten. Verglichen mit dem Zeitraum seit 2015 bis zum Beginn der Pandemie entspricht das einer 30-fachen Zunahme seit Mitte Februar. Die Mediziner wiesen jedoch auch darauf hin, dass es schwierig sei, auf Grundlage solch geringer Zahlen valide Schlussfolgerungen zu ziehen. In Österreich war bis zum vergangenen Wochenende nur ein einziger schwerer Erkrankungsfall bei einem Kind im Zusammenhang mit Covid-19 in Graz bekannt, mittlerweile ist ein zweiter Fall in Wien dazugekommen.

Übersteigerte Immunabwehrreaktion

Der Kinderarzt Sunil Sood von der Cohen-Kinderklinik in New York berichtete, rund die Hälfte der jungen Patienten mit MIS-C in seiner Klinik hätten wegen Herzmuskelentzündungen auf die Intensivstation verlegt werden müssen. In den meisten Fällen sei das Syndrom vier bis sechs Wochen nach einer Coronavirus-Infektion aufgetreten. In der Regel hatten die Kinder demnach bereits Antikörper gegen den Erreger Sars-CoV-2 entwickelt. Sood sprach von einer "verspäteten und übersteigerten Immunabwehrreaktion" des Körpers.

Bisher wurden die immer noch vergleichsweise seltenen Fälle des mysteriösen Syndroms nur aus Europa und Nordamerika gemeldet. In Asien wurden dagegen bisher keine MIS-C-Fälle registriert. Einige Mediziner verträten laut Sood die These, dass manche Bevölkerungen genetisch anfälliger für das Syndrom seien als andere. Wissenschaftlich belegt sei diese Theorie jedoch nicht. (tasch, APA, 15.5.2020)