Ob alteingesessne Hotels oder gerade eröffnete Lokale: Alle wurden zugesperrt. Über die Auswirkungen erzählt Manuela Krings-Fischer, die in der Wintersaison im Familienunternehmen in Obertauern arbeitet und off-season mit ihrer Familie in Wien lebt, auf kleinen Berg in Hütteldorf. DER STANDARD traf sie auf Abstand in Wien und spazierte dann mit ihr durch den Stadtpark. Der Hund auf dem Bild war nur zufällig da.

STANDARD: Die Folgen der Corona-Krise haben Restaurants, Skilifte und das Hotel Ihrer Familie in Obertauern voll erwischt, aber auch Ihr Projekt in Wien, das Donaubräu beim Donauturm. Es war gerade ein Jahr offen vor dem Shutdown.

Krings-Fischer: Im Donaubräu war ich vor und nach der Eröffnung 1,5 Jahre für die gastronomische Projektleitung zuständig, vom Konzept bis zum Schreiben der Speisekarte. Der neue Donauturm-Besitzer Paul Blaguss hatte mich auf unserer Kringsalm in Obertauern angesprochen: "So jemanden wie dich brauch ich." Für mich war schnell klar, dass ich da mitmache, weil so eine coole Location gibt es selten. Und im Sommer lebe ich mit meiner Familie in Wien, da hatte ich Zeit dafür.

Après-Ski ist tot, glaubt die Unternehmerin: "Die Leute werden sich nicht mehr Haut an Haut in Après-Ski-Bars reinquetschen, selbst wenn es erlaubt wäre."
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Allerdings gab es Proteste aus der Kleingartensiedlung nebenan, die die Eröffnung bis März 2019 verzögerten. Haben Sie nicht damit nicht gerechnet? Das Donaubräu ist riesig, hat 430 Sitzplätze im Freien und 150 im Lokal.

Krings-Fischer: Wenn ich mir in Wien einen Kleingarten neben einem Wahrzeichen wie dem Donauturm kaufe, müsste ich damit rechnen, dass der nicht ewig im Dornröschenschlaf schlummert. Die Anrainer hatten Angst vor mehr Verkehr und Betrunkenen – aber wir konnten dann alles friedlich lösen.

STANDARD: Solche Probleme kennen Sie aus Obertauern nicht. Ihre Hütten und das Hotel Seekarhaus liegen abgeschieden auf dem Berg.

Krings-Fischer: Wir haben dort sogar einen Nachbarn, der Grund gehört ihm und uns je zur Hälfte. Aber da hat es noch nie was gegeben. Ein Traumnachbar.

STANDARD: In Obertauern mussten Sie wegen Corona sechs Wochen vor Saisonende zusperren. Sie haben 150 Mitarbeiter, viele davon sind aus Osteuropa. Sind die alle noch heimgekommen?

Krings-Fischer: Ja, zum Glück. Die meisten sind Saisonarbeiter und hätten Ende April sowieso bei uns aufgehört. Rund 25 Leute sind jetzt in Kurzarbeit.

STANDARD: Welche Hilfen haben Sie noch in Anspruch genommen?

Krings-Fischer: Wir haben sonst noch nichts bekommen und warten ab, wie die Fixkostenzuschüsse ausschauen. Wir haben eine Betriebsausfallversicherung, in die wir seit Jahren einzahlen und die wollten wir jetzt in Anspruch nehmen. Die Reaktion war eine Frechheit: Entweder wir nehmen die Lappalie, die sie uns anbieten, und wenn wir mehr wollen, sollen wir uns auf einen mehrjährigen Gerichtsprozess einstellen. Wir haben das dem Anwalt übergeben.

STANDARD: Als Sie erfuhren, dass Sie über Nacht zusperren müssen: Wie haben Sie sich da gefühlt?

Krings-Fischer: Natürlich waren wir in einer Schockstarre, wie alle. Unser Hotel war immer ausgebucht, in der Gastronomie ist uns aber die wichtigste Umsatzzeit weggebrochen. Insgesamt haben wir rund 20 Prozent unseres Geschäfts verloren.

STANDARD: Der Corona-Hotspot war Ischgl, von dort wurde das Virus über Europa verteilt. Tun Ihnen die Kollegen leid? Die und die Behörden haben sehr spät reagiert.

Krings-Fischer: Klar haben wir Mitleid mit den Kollegen, das hätte überall passieren können. Wobei wir in Obertauern ja schon vorher, Anfang März, einen Corona-Fall hatten. Aber die Verantwortlichen hier sind hochprofessionell damit umgegangen: Das betroffene Hotel wurde in der Sekunde unter Quarantäne gestellt, es wurde offen und ehrlich kommuniziert.

Ob Urlauber diese Einladung noch so herzlich annehmen werden wie bisher, ist offen.
Foto: APA/Jäger

STANDARD: Die Tiroler haben Druck gemacht, wollten nicht schließen. Verstehen Sie das?

Krings-Fischer: Im Nachhinein ist es immer einfach, alles zu wissen. Damals hat man die Krankheit vielleicht noch unterschätzt. Und es ist um unternehmerische Existenzen gegangen, das muss man schon auch sagen.

STANDARD: 62 Prozent Ihrer Gäste sind Deutsche, 28 Prozent Österreicher. Glauben Sie, dass die Deutschen wiederkommen und die nächste Saison gut laufen wird?

Krings-Fischer: Die Buchungslage ist sehr gut, ich glaube aber trotzdem, dass wir Einbußen haben werden. Wir hatten zuletzt auch mehr Gäste aus Osteuropa, und ich hoffe, dass mehr Österreicher kommen – dass sie, statt zu Weihnachten auf die Malediven zu fliegen, Ski fahren gehen, auch um Österreichs Wirtschaft zu unterstützen. Die Leute werden sich nach der Krise der Schönheit Österreichs wieder mehr bewusst werden und erkennen, dass man gar nicht so weit wegfahren muss.

STANDARD: Die Deutschen werden den Österreichern verzeihen?

Krings-Fischer: Unsere deutschen Gäste werden wieder zum Skifahren nach Österreich kommen, das glaub ich schon. Bitte, liebe Nachbarn, verzeihts uns.

STANDARD: Die Arbeitslosigkeit steigt. Werden sich die Leute teure Skiurlaube leisten können?

Krings-Fischer: Ich hoffe. Liftkarten- und Zimmerpreise werden jedenfalls nicht steigen. In den Restaurants wird es teurer werden, weil man nur noch die Hälfte der Gäste unterbringen darf.

STANDARD: Ihre Stubenmädchen, Abwäscher, Abservierer kommen aus dem Ausland. Glauben Sie, dass arbeitslose Österreicher diese Jobs übernehmen werden?

Krings-Fischer: Nein, außer sie sind über eine lange Zeit hinweg arbeitslos. Wobei: Stubenmädchen zu sein oder Abwäscherin, das ist gar kein so schlimmer Job. Es ist eine monotone Arbeit, aber es gibt Schlimmeres. Saisonarbeiter verdienen gut, haben freie Kost und Logis: Man kann sich da in einer Saison wirklich einiges zusammensparen.

STANDARD: War es zuletzt schwer für Sie, Mitarbeiter zu finden?

Krings-Fischer: Nein, außer Köche. Ich habe vor einigen Jahren dringend einen Koch gesucht und mich ans AMS gewendet, weil dort viele Köche gemeldet waren. Bekommen hab ich keinen: Es sei unzumutbar für einen Koch, aus Wien nach Obertauern kommen zu müssen, wurde mir erklärt.

STANDARD: Ihr Hotel hat 200 Betten, ins Restaurant Kringsalm, das Sie mit Ihrer Schwester führen, passen draußen und drinnen je 350 Gäste. Ihre Familie besitzt vier Liftanlagen, eine haben Sie 2017 um sehr, sehr viel Geld neu gebaut. Ihr Onkel sagt: "Wir müssen groß sein." Stimmt das?

Krings-Fischer: Nein, es muss nicht alles groß sein. Das Kleinere, das Heimeligere, das Gemütliche findet immer mehr Anklang.

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1965, als die Beatles ihren Film "Help!" in Obertauern drehten, war der Ort noch kleiner. Der Vater von Manuela Krings-Fischer, Richard Krings, war übrigens Double von George Harrison.
Foto: Christian Skrein / Imagno / picturedesk.com

STANDARD: Ihr Unternehmen ist also groß genug?

Krings-Fischer: Ja, obwohl gerade ein Zubau im Hotel ansteht. Angesichts der Corona-Krise haben wir uns aber Gott sei Dank geeinigt, den kleiner als geplant zu halten.

STANDARD: Ist man als Hotelier zum Investieren verdammt?

Krings-Fischer: Diese Investitionen haben unterschiedliche Gründe. Viele Hoteliers glauben, dass sie mit der Konkurrenz mithalten und wetteifern müssen – deswegen haben wir in Österreich auch so viele Orte mit so vielen tollen Hotels. Andererseits bekommt man keine Gäste, wenn man stehenbleibt und ein paar Jahre nichts investiert. Da gerät man in einen Investitionsrückstau, den man letztlich nicht mehr derbläst.

STANDARD: Ihrer Familie besteht aus drei Zweigen, fast alle arbeiten mit. Wie entscheiden Sie? Streiten Sie oft?

Krings-Fischer: Wir sind 14 aktive Familienmitglieder: unsere drei Elternpaare und wir acht Kinder. Von uns sind sieben im Betrieb tätig, nur mein Bruder nicht mehr. Unser Unternehmen wird über drei Familienstiftungen gehalten, jede besitzt ein Drittel, jede entsendet einen Geschäftsführer, und alles Geld kommt in einen Topf. Aus dem werden die Investitionen getätigt. Wir Familienmitglieder sind Angestellte, und jede Stiftung bekommt minimale Ausschüttungen. Der Großteil des Geldes wird ins Unternehmen reinvestiert. Bis jetzt hat das meist gut funktioniert, große Entscheidungen beschließen wir einstimmig. Natürlich gibt’s oft Diskussionsbedarf, und wir lassen uns beraten.

STANDARD: Von Mediatoren?

Krings-Fischer: Eine Beraterin ist auch Mediatorin. Beim jetzigen Hotelumbau waren wir uneinig, haben dann aber einen Kompromiss gefunden und die ursprünglich geplante Investition halbiert.

STANDARD: Können Sie die 20 Prozent, die Sie krisenbedingt verloren haben, aufholen?

Krings-Fischer: Nein. Aber wir hatten Megaglück, die Wintersaison bis März war sensationell. Anderen geht es sehr viel schlechter: Viele Wirte in der Stadt, alle, die von Touristen abhängig sind, werden 70, 80 Prozent Einbußen haben oder alles verlieren.

STANDARD: Die Regierung spricht vom Hochfahren der Wirtschaft. Das wird nicht einfach, oder?

Krings-Fischer: Sicher nicht. Auch die Lokale werden nicht gleich ausgebucht sein, und der Handel wird leiden, denn die Krise hat in uns allen etwas verändert. Man braucht das Ausgehen, das Shoppen nicht mehr so. Die Wirtschaft wird auf allen Ebenen enorme Einbußen haben, viele Unternehmen werden pleitegehen. Die Kleinunternehmen trifft es besonders.

STANDARD: Sie bauen Ihre Speisesäle um. Rechnen Sie mit Einschränkungen für die Gastronomie bis zum nächsten Winter?

Krings-Fischer: Ja, wenn es bis dahin keine Impfung oder Medizin gegen das Virus gibt. Außerdem wird es massive Einbußen im Après-Ski geben: Die Leute werden sich nicht mehr Haut an Haut in Après-Ski-Bars reinquetschen, selbst wenn es erlaubt wäre.

STANDARD: Die Party ist vorbei?

Krings-Fischer: Die große Party ist vorbei. (Renate Graber, 17.5.2020)