Seit Samstagabend werden die Pakete im Postverteilungszentrum in Hagenbrunn im Bezirk Korneuburg von Mitarbeitern des Bundesheers sortiert. Ihre Hilfe wurde aktiv angefordert, nachdem die Führung der Post gemeinsam mit der niederösterreichischen Gesundheitsbehörde entschieden hatte, das ansässige Personal, rund 300 Personen, allesamt in Heimquarantäne zu schicken. Im Logistikzentrum waren in den vergangenen Tagen rund 80 Infektionen mit dem Coronavirus festgestellt worden. Durch die Hilfe des Bundesheeres, die zunächst 14 Tage dauern wird, soll die Ausbreitung in Hagenbrunn nun beendet werden.

Bundesheer-Grün statt Post-Gelb dominiert nun das Logistikzentrum in Hagenbrunn.
Foto: Bundesheer

Die gesamte Fabrikshalle wurde desinfiziert. Nur noch eine Rumpfmannschaft aus maximal 50 Personen ist seitens der Post anwesend, um die Bundesheerler einzuweisen. Diese Postmitarbeiter wurden aus anderen Standorten zugezogen und waren in den letzten 14 Tagen nicht in Hagenbrunn anwesend, wird von einem Sprecher versichert.

Corona-Krise bei der Post.
ORF

Bei den Mitarbeitern des Bundesheeres handelt es sich um Logistikexperten, wie das Bundesheer sagt. Die Soldaten und Zivilbediensteten kommen vom Kommando Streitkräftebasis aus Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich und Wien. Zu ihren Aufgaben zählen nun das Sortieren von Paketen oder das Beladen der Lkws, nicht aber die Auslieferung. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) kündigte an, sich am Montag ein Bild von der Lage in Hagenbrunn zu machen.

Kritik an Unterbringung

Untergebracht sind die Bundesheermitarbeiter – unter ihnen auch rund 100 Grundwehrdiener – in der Dabsch-Kaserne in Korneuburg. Berichte über hygienisch mangelhafte Verhältnisse wies das Bundesheer zurück. Man habe in kürzester Zeit eine Halle sowie Feldbetten für rund 280 Soldatinnen und Soldaten zur Verfügung stellen müssen. Die Halle sei beheizt, trocken und wetterfest. Um den notwendigen Sicherheitsabstand gewährleisten zu können, wurde die Halle in Kojen mit maximal sechs Personen eingeteilt. Um die Kontaktfrequenz so gering wie möglich zu halten, sei die Personeneinteilung der Kojen gleich der Arbeitseinteilung im Verteilerzentrum.

Dass das Logistikzentrum Hagenbrunn und damit die Post nun im Fokus stehen, hat mit Contact-Tracing-Strategie der Politik zu tun. Wie DER STANDARD berichtete, kam es in Wien schon vor einigen Wochen im Asylheim in Erdberg zu Symptomentwicklungen bei Bewohnern. Durch Testungen konnten zunächst 28 positive Fälle, vier davon unter Betreuern, festgestellt werden. Alle Bewohner wurden in das für die Coronavirus-Krise vorbereitete Versorgungsquartier in der Messe Wien gebracht, um weitere Infektionen einzudämmen. Da die Betroffenen zum Teil in Postverteilerzentren arbeiteten, wurden auch dort Testungen gemacht – und positive Fälle entdeckt.

Das Contact-Tracing, also die Rückverfolgung der Infektionskette, ergab etwa auch, dass eine positiv getestete Kindergartenmitarbeiterin in Wien-Liesing mit einem Leiharbeiter verheiratet ist, der für die Post tätig ist. Mittlerweile ist auch ein Kind in dem Kindergarten positiv getestet worden, das allerdings keine Symptome entwickelt hat. Es sei "alles ein großer Cluster", fasste ein Sprecher des Wiener Gesundheitsstadtrats Peter Hacker (SPÖ) zusammen.

Stadtrat Peter Hacker (SPÖ) hebt die Strategie in Wien als positiv hervor.
Foto: APA/Punz

Die Spurensuche wird weiter fortgesetzt: Als Nächstes nimmt sich die Stadt Wien schwerpunktmäßig weitere Leiharbeiterfirmen vor. Hacker betonte am Sonntag in der APA, es sei ein Problem, dass Personen, die als "neue Selbstständige" auf Abruf arbeiten würden, sozial nicht abgesichert seien. Sie hätten Scheu davor, sich krank zu melden, weil sie keine Ersatzzahlungen erhalten.

Er betonte zudem, dass das Cluster nicht im Flüchtlingsheim Erdberg entstanden sei. Denn die meisten Fälle, etwa in der Unterkunft in Erdberg, ließen sich auf die Post-verteilzentren zurückführen – jedoch nicht umgekehrt.

Neben Hagenbrunn ist auch das Logistikzentrum Inzersdorf betroffen. Dort nimmt man jedoch vorerst noch Abstand davon, das Bundesheer zu Hilfe zu holen.

Dass die Post verstärkt auf Leiharbeiter zurückgreift, habe damit zu tun, dass man seit Beginn der Corona-Krise ein überdurchschnittlich hohes Paketaufkommen zu bewältigen habe. Es sei so viel zu tun wie normalerweise zu Weihnachten. Nur dass Letzteres planbar sei, die aktuelle Krise nicht, sagt Postsprecher Markus Leitgeb. Genaue Angaben, wie viele Leiharbeiter die Post beschäftigt, liegen laut ihm nicht vor.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) will Wien zu Hilfe eilen.
Foto: APA/Fohringer

Während die Stadt Wien ihr Vorgehen unterstreicht und sich das Entdecken des Clusters an die Fahnen heftet, gibt es aber auch Kritik. Hacker sagt, in anderen Bundesländern hätte man auf Anrufe bei der Hotline 1450 gewartet, in Wien habe man Testungen proaktiv durchgeführt. Kritik an der Strategie Wiens bezeichnete er als "Wahlkampfbashing".

Die Opposition in Wien sieht das anders. Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch befand, Hacker habe die Corona-Krise "noch nie richtig ernst genommen". Er müsse nun "aktiv gegensteuern".

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bot seine Unterstützung an: "Dieser dramatische Fall zeigt, dass es mehr braucht, als bisher getan wurde. Ich habe dem Wiener Bürgermeister mehrmals Hilfe beim Containment angeboten, um das Virus einzugrenzen. Spätestens jetzt wäre es Zeit, diese anzunehmen. Wir müssen jetzt zusammenhelfen." (Rosa Winkler-Hermaden, 17.5.2020)