Nach Wochen der Isolation dürften die Italiener schon bald die Küsten stürmen. Ob sie dabei auf Touristen treffen, ist ungewiss. In Cesenatico an der Adria ist es, jedenfalls auf diesem Foto, noch eher einsam.

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Seit dem 9. März, also seit zehn Wochen, waren sie geschlossen: Trattorien, Restaurants, Bars, die meisten Hotels, Friseure, Schönheitssalons, Geschäfte des Einzelhandels. Heute, Montag, dürfen sie alle wieder öffnen – vorausgesetzt, dass die inzwischen alltäglich gewordenen Sicherheits-Standards wie die Einhaltung eines Abstands von einem Meter und das Tragen von Masken in geschlossenen Räumen eingehalten werden. Auch die Bezahlstrände können ab heute öffnen. "Der Verlauf der Epidemie ist ermutigend, wir gehen ein kalkuliertes Risiko ein", betonte Ministerpräsident Giuseppe Conte am Wochenende. Die Gesundheit und das Leben jedes Einzelnen blieben für die Regierung zwar "weiterhin nicht verhandelbar", aber das Land könne es sich nicht leisten, auf einen Impfstoff zu warten.

Zunächst hatte die Regierung sehr viel strengere Auflagen insbesondere für Gastronomiebetriebe und die "stabilimenti balneari", die Bezahlstrände, vorgesehen. So hätten die Wirte zwischen den Tischen einen Abstand von vier Metern einhalten sollen. Die Sonnenschirme an den Lidos wären noch weiter auseinandergestanden. Zwischenzeitlich war sogar von Plexiglaswänden oder Plexiglaskabinen die Rede gewesen. Nach einem Aufstand der betroffenen Berufskategorien und der Regionalpräsidenten hat Conte schließlich nachgegeben: Die Sicherheitsabstände wurden deutlich reduziert. Tische in Restaurants wird es aber nur auf Vorbestellung geben, Liegestühle an den Stränden ebenfalls.

Vorgeprescht ist die Regierung auch bezüglich der Öffnung der Landesgrenzen: Ab dem 3. Juni sollen Reisende aus allen EU-Ländern wieder ohne Grenzkontrollen nach Italien fahren können. Gleichzeitig werden auch die Grenzen zwischen den einzelnen italienischen Regionen wieder geöffnet. "Diese Grenzöffnungen werden den Grundstein zur Erholung des Tourismus legen", betonte Conte. Tatsächlich befindet sich die Branche, von der in Italien Millionen Arbeitsplätze abhängen und die 13 Prozent zum Bruttosozialprodukt des Landes beiträgt, in einem erbarmungswürdigen Zustand – vor allem in Städten und Regionen, die hauptsächlich auf ausländische Gäste angewiesen sind.

Touristenansturm nicht in Sicht

Allerdings: Die Öffnung der Landesgrenzen dürfte zumindest in den ersten Wochen keine allzu große Wirkung zeigen: Bundeskanzler Sebastian Kurz ist, was Reisen nach Italien betrifft, ebenso auf die Bremse gestiegen wie Deutschlands Außenminister Heiko Maas. Auch die Grenzen der Schweiz und Frankreichs zu Italien bleiben noch bis 15. Juni zu – oder noch länger. Begründet wird dies mit dem Verlauf der Epidemie, der in Italien nach wie vor kritisch sei.

Das mag für die am stärksten betroffene Lombardei teilweise noch zutreffen – doch in allen Regionen südlich davon ist die Situation nach dem längsten und härtesten Lockdown Europas unter Kontrolle. In Sizilien und Apulien ist die Pandemie gar nicht erst richtig ausgebrochen. Landesweit ist die Zahl die Todesfälle auf den tiefsten Stand seit zweieinhalb Monaten gefallen, jene der Covid-Patienten auf den Intensivstationen hat sich von über 4000 auf 775 reduziert.

Schlimme Bilder

Dennoch sind viele italienische Hoteliers pessimistisch für dieses Jahr. Viele befürchten, dass die Bilder der Militär-Lkws, die in Bergamo die Särge mit den Covid-Toten abtransportierten, sich in die Erinnerung der ausländischen Touristen eingebrannt haben könnten. "Ich schätze, dass etwa ein Drittel der Hotels in Rom dieses Jahr nicht mehr aufmachen wird", erklärt Giuseppe Roscioli, der Präsident des lokalen Hotelierverbands. Der Grund: Den Hotels werde es am wichtigsten "Rohstoff" mangeln: an Touristen. Angesichts der Mehrkosten für die Prävention müsste ein Hotel mindestens zur Hälfte gebucht sein, sonst werde die Öffnung zum Verlustgeschäft. Bisher hat die Epidemie den Römer Hoteliers laut Roscioli jeden Monat 100 Millionen Euro an Umsatzeinbußen gebracht.

In Venedig, Florenz, Neapel, an der Amalfi-Küste und in den Adria-Badeorten Jesolo und Rimini ist die Stimmung unter den Hoteliers nicht viel besser. Es gibt aber auch Ausnahmen. "So ruhig und still, so frei von Massentourismus wie jetzt wird man Venedig nie mehr zu sehen bekommen", betont Marianna Serandrei, die Geschäftsführerin eines Hotels am Markusplatz. Ihre Botschaft an die Gäste: "Den Markusplatz fast für sich allein zu haben: Das ist eine große Emotion." (Dominik Straub, 17.5.2020)