Die Corona-Krise hat in ganz Europa wieder die Grenzbalken hochgehen lassen. In einem in die Jahre gekommenen Hotel an der Kiewer Peripherie warten die jüngsten Opfer der aktuellen Verwerfungen auf eine ungewisse Zukunft. Dutzende Babys, die von Ukrainerinnen im Auftrag westeuropäischer und nordamerikanischer Eltern geboren wurden, harren dort gemeinsam mit ihren Leihmüttern und Pflegern aus, bis sie endlich dorthin kommen, wo sie schon so sehnsüchtig erwartet werden.

Gar kein guter Start: Ein Neugeborenes erhält per Flasche Milch in einem Kiewer Hotel.
Foto: Sergei SUPINSKY / AFP

Eigentlich sollten in dem Hotel, das der Leihmutter-Agentur Biotexcom gehört, die glücklichen Eltern wohnen, die, weil sie nachgewiesenermaßen selbst nicht schwanger werden können, auf die Hilfe einer Leihmutter in einem der ärmsten Länder Europas gesetzt haben. Die ehemalige Sowjetrepublik ist für westliche und zunehmend auch chinesische Paare auf der Suche nach einer Leihmutter ein interessantes Ziel.

Videotelefonate statt Umarmungen

Doch nun sitzen die Babys fest. Die Wartezeit wird unterbrochen durch kurze Spaziergänge, die ihre Leihmütter mit ihnen in der Umgebung unternehmen – und Videotelefonate mit jenen Menschen, die, dem Virus geschuldet, nicht nach Kiew fliegen können, um sie in Empfang zu nehmen. Die in der Ukraine – dem Land mit den liberalsten Leihmutterschaftsgesetzen der Region – geborenen Kinder sind für Eltern in Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und den USA bestimmt, anderen Angaben zufolge auch für Österreicher.

Umgerechnet etwa 14.000 Euro bekommt Medienberichten zufolge eine Ukrainerin, wenn sie sich mit Eizellen befruchten lässt und das Kind einer –meist wohlhabenderen – Frau austrägt. Gerade einmal fünfzehn Eltern haben es noch vor der Grenzschließung, die vorerst bis 22. Mai gilt, noch nach Kiew geschafft. Doch Rückflüge in Richtung Westen gibt es kaum. 36 warten nach Angaben von Biotexcom noch auf ihr erstes Familientreffen. Kiew untersagt wegen der Pandemie allen Ausländern ohne Wohnsitz in der Ukraine seit Mitte März die Einreise. Die Firma betont, sie kümmere sich gut um die Babys und halte alle Hygienevorschriften zum Schutz vor dem Coronavirus ein.

Einer Parlamentarierin zufolge könnten bis zu 1.000 Babys noch geboren werden, bevor die Einreise der Eltern aus dem Westen wieder möglich sein wird. Ljudmila Denissowa sagt, sie habe das ukrainische Außenministerium gebeten, den Eltern die Einreise zu erleichtern. In einigen Fällen lehnten die Botschaften der Länder eine Mithilfe ab. Laut einem Bericht von "Le Monde" handelt es sich vor allem um Frankreich, wo Leihmutterschaft nicht erlaubt ist.

Ein Video, das ein Leihmutter-Unternehmen als Zeichen des Protests gedreht hat.
BioTexCom clinic

"Online-Store für Babys"

Denissowa will sich angesichts des Protestvideos von Biotexcom aber auch für ein Ende der kommerziellen Reproduktionsmedizin in ihrem Land einsetzen. Mehr als 50 derartige Kliniken gibt es im ganzen Land, das Geschäft mit der Leihmutterschaft boomt. Sie verlangt, dass das Parlament unverzüglich die Gesetze für Leihmutterschaften von Ausländern verschärft. "Kinder sollten in der Ukraine kein Objekt für Menschenhandel sein", sagte sie. Einen "Online-Store für Babys" nannte der Menschenrechtsbeauftragte von Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ukraine. Geht es nach ihm, soll es bald vorbei sein damit. In Österreich ist – so wie in den meisten europäischen Ländern – die kommerzielle Leihmutterschaft verboten. (flon, 18.5.2020)