Überreste eines Australopithecus sediba, der vor rund zwei Millionen Jahren im heutigen Südafrika lebte.

Foto: EPA/LARRY W. SMITH

Die Vorfahren der Menschen schwangen sich nicht unwiderruflich von den Bäumen und nutzten fortan ihre Hände zum Werken, sondern taten zunächst beides, berichtet ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution". Die Fingerknochenstruktur eines zwei Millionen Jahre alten Menschenartigen zeigt, dass er kletterte, jene des Daumens, dass er mit Dingen hantierte.

Das Team um Christopher Dunmore von der Universität Kent untersuchte mittels hochauflösender Computertomographie (CT) die Innenstruktur von Handknochen eines Australopithecus-sediba-Individuums, das vor knapp zwei Millionen Jahren in Südafrika gelebt hat. Dass Australopithecus sediba bereits aufrecht gehen konnte, ist schon länger bekannt. Wie er seine verhältnismäßig langen Armen einsetzte, ist dagegen noch ungeklärt.

Einzigartige Kombination

Von der Anatomie her können auch heutige Menschen mit ihren Händen sowohl Klettern als auch mit Gegenständen hantieren. Die innere Knochenstruktur verrät jedoch, wozu sie wirklich gebraucht wurden. Dort sind kleine Balken aus Knochengewebe (Trabekel), die sich im Laufe des Lebens je nach der Belastung umbauen, erklärte Dieter Pahr von der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems und der Technischen Universität (TU) Wien. Mit einer von ihm entwickelten Auswertungsmethode könne man diese Informationen auslesen, die in den Knochen abgespeichert sind und mittels Computertomographie sichtbar werden.

"Wenn man die Hände für alltägliche Arbeiten der damaligen Zeit benutzt wie Jagd, Essenszubereitung und Werkzeugbau, sind die Belastungen geringer, als wenn man sich mit den Händen fortbewegt, also klettert, in Bäumen hängt oder auf allen vier Gliedmaßen läuft", so Pahr. Beim Hantieren von Gegenständen hält die Hand normalerweise Gegenstände von ein paar Kilogramm, beim Fortbewegen oft das ganze Körpergewicht.

Die Finger von Australopithecus sediba haben eine Trabekel-Struktur wie ein Orang-Utan, der fast sein ganzes Leben in den Bäumen verbringt, aber die Daumenstruktur passt vielmehr zu menschlichen Gebrauchsspuren. Dies sei eine einzigartige Kombination, die man zuvor noch bei keinem Individuum finden konnte, berichten die Forscher. Die Hand zeige demnach, dass bei Australopithecus sediba der Übergang von einem Leben in den Bäumen auf den Boden nicht plötzlich vonstatten ging, sondern allmählich und schrittweise. (red, APA, 24.5.2020)