Das erfolgreiche Konzept der Christian-Doppler-Gesellschaft könnte durch die Corona-Krise indirekt ins Wanken geraten.

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Der Begriff "anwendungsorientierte Grundlagenforschung" erscheint auf den ersten Blick als Widerspruch in sich. Grundlagenforschung hat eigentlich erkenntnisgetrieben zu sein, da kann von einer Anwendung in Industrie und Wirtschaft noch nicht die Rede sein. Dass das auch anders geht, will seit mehr als 25 Jahren die Christian-Doppler-Gesellschaft (CDG) beweisen. Anfangs gründete man ausschließlich an Universitäten Forschungseinheiten, die in Kooperation mit Unternehmen marktnahe Lösungen erarbeiten: die Christian-Doppler-Labors. Mittlerweile gibt es an den heimischen Fachhochschulen auch Josef-Ressel-Zentren, die ähnliche Vorgaben haben. Die Fragestellung für die Forschungsarbeiten kommt aus der Wirtschaft, die Laufzeit ist begrenzt: Bei den Doppler-Labors sind es sieben Jahre, bei den Ressel-Zentren fünf.

Das Konzept scheint erfolgreich zu sein, 106 aktive Forschungseinheiten sind derzeit unter dem Dach der Gesellschaft versammelt. Martin Gerzabek, seit 2019 Präsident der Gesellschaft, spricht von einem "sehr hohen Output" der Forscher und Forscherinnen. Von 400 Publikationen, die im vergangenen Jahr in Journals nach einem Peer-Review-Verfahren erschienen seien, seien 20 Prozent in Kooperation mit der Wirtschaft entstanden. Auch mit dem Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen zeigt er sich grundsätzlich zufrieden: "Der Doppler-Gesellschaft wurde viel Bedeutung zugemessen", freut sich Gerzabek, Ökotoxikologe, der von 2010 bis 2018 Rektor der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien war.

Finanzierungsengpässe befüchtet

Doch nur wenige Wochen nach dem Start der neuen Regierung brach bekanntlich die Corona-Pandemie aus. Damit begannen die Sorgen von Gerzabek, die er auch dem STANDARD anvertraut. Viele Unternehmen stecken in einer wirtschaftlichen Krise, die in der Folge des Shutdowns entstanden ist, sagt Gerzabek. Deshalb fürchtet er Finanzierungsengpässe, die sich auf die Forschungsleistung und auf die Kooperation mit den Labors und Zentren auswirken könnte. Die Christian-Doppler-Gesellschaft hat beim Bund Hilfsmaßnahmen für die mit ihr in Kooperation befindlichen Unternehmen beantragt. Über die Höhe schweigt sich Gerzabek aus. Finanziert wird die CDG übrigens vom Digitalisierungsministerium, von den Unternehmenspartnern der Labors und von der Nationalstiftung.

Ein Josef-Ressel-Zentrum der FH Oberösterreich soll Versorgungsketten abbilden und sicherstellen.
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Gerzabek sieht die Corona-Krise aber nicht nur als große Herausforderung, sondern auch als Chance, die Doppler-Labors und Ressel-Zentren dank der Expertise ihrer Leiter zu positionieren. Das Josef-Ressel-Zentrum für Echtzeitvisualisierung von Wertschöpfungsnetzwerken der FH Oberösterreich, seit gut einem Jahr geöffnet, ist seit kurzem im Pandemie-Krisenstab der österreichischen Bundesregierung vertreten.

Versorgungssicherheit gewährleisten

Im Rahmen von "Covid-19: Future Operations" entwickelt es in einem Konsortium, zu dem auch der Complexity Science Hub Vienna, die Vetmed-Uni Wien und das Boku-Institut für Produktionswirtschaft und Logistik gehören, ein interaktives Visualisierungstool. Es ermöglicht die Visualisierung und Analyse der Versorgungsketten. Die Unternehmenspartner sind Autohersteller BMW Group und die Supermarktkette Hofer. Mit dem Tool will man Versorgungsengpässe rechtzeitig erkennen. Man kann damit auch errechnen, wie sich der Ausfall eines Produzenten oder ein Covid-19-Fall in einem der Verteilerzentren für Lebensmittel auswirken würde.

Gerzabek erwähnt aber noch andere Labors und Zentren, die angesichts der Pandemie einen Beitrag für die Gesellschaft leisten könnten. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde das Doppler-Labor für Entropieorientiertes Drug Design gegründet. Der Chemiker Nuno Maulide und sein Team versuchen hier ein neuartiges Wirkstoffdesign bei der Herstellung von Medikamenten zu etablieren. Möge die Übung gerade im Zusammenhang mit Covid-19 gelingen. (Peter Illetschko, 30.5.2020)