Bei einer Corona-Demo in Deutschland.

Foto: imago images/Sven Simon

Bill Gates als Übeltäter, 5G als Verbreiter und Impfen als größte Gefahr: Bei Demos zum Coronavirus sind Verschwörungstheoretiker gerngesehene Gäste. Die im Netz stark verbreiteten Thesen schwappen zunehmend auf die echte Welt über. Giulia Silberberger setzt sich schon länger mit Verschwörungstheorien auseinander. Die Deutsche ist Gründerin und Geschäftsführerin der Organisation Der goldene Aluhut. Diese verleiht seit 2014 jährlich einen Preis für die wildesten Theorien. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" erklärt sie, dass Menschen aktuell besondere Sehnsucht nach Erklärungen hätten. Wissenschaft brauche aber Zeit, um Wissen zu schaffen. Diese Lücke soll dazu führen, dass Verschwörungstheorien Hochkonjunktur haben.

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Faktenchecks helfen nicht

Silberberger und ihr kleines Team betreuen mittlerweile auch Angehörige von Personen, die derartige Thesen teilen. Die Expertin weist darauf hin, dass diese Menschen oftmals nicht gelernt hätten, Quellen zu überprüfen, und es "wahrscheinlich nur gut meinen". Katharina Nocun hat mit der Psychologin Pia Lamberty ein Buch zu dem Thema namens "Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen" geschrieben. Nocun rät dazu, dass man bei Verschwörungstheoretikern in der Familie anfangs zuhören und dann Fragen stellen soll. Mit Faktenchecks oder Antworten würde man hierbei nicht weit kommen. Viel wichtiger sei es, dass die Person selber erkennt, was sie da für Falschinformation verbreite.

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Rechte Instrumentalisierung

In Deutschland schlagen unterdessen Behörden Alarm. Rechtsextremisten würden versuchen, die Proteste gegen Corona-Auflagen für sich zu nutzen. "Wir sehen einen Trend, dass Rechtsextremisten das Demonstrationsgeschehen instrumentalisieren", sagte der Präsident des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang. Am Wochenende fanden in zahlreichen deutschen Städten Proteste mit tausenden Menschen statt. In Berlin ging eine Veranstaltung auf den TV-Koch Attila Hildmann zurück, der im Netz seit Wochen mit Verschwörungstheorien gegen die Maßnahmen mobilmacht.

Foto von einer Demonstration in Wien am 14. Mai 2020.
Foto: Sulzbacher/STANDARD

Ermittlungen nach "Impfen macht frei"-Schild

In Österreich tauchen auch bei ähnlichen Demos bekannte Rechtsextremisten wie der Identitären-Chef Martin Sellner auf. Dies wird von der Polizei beobachtet. Sie hat auch bereits Ermittlungen gegen Demonstranten aufgenommen, die vergangenen Donnerstag Schilder mit dem Text "Impfen macht frei" oder Gesichtsmasken mit einem sogenannten Judenstern trugen – eine grobe Verharmlosung des NS-Terrors.

Identitären-Chef Martin Sellner bei einer Corona-Demo in Wien.
Foto: Sulzbacher/STANDARD

Überschneidungen beim Gedankengut

Für die Wiener Rechtsextremismusexpertin Judith Götz ist das Auftreten von Rechtsextremisten bei den Demos nicht verwunderlich. Zumal "weitreichende Anknüpfungspunkte und Überschneidungen zwischen der rechtsextremen Ideologie und dem auf den Corona-Demos vertretenen Gedankengut bestehen", wie sie dem STANDARD sagt. Dazu zählt sie "etwa die Selbstinszenierung als Aufklärer*innen und den Hang zu (antisemitischen) Verschwörungsideologien, die geheime Mächte hinter den Entwicklungen vermuten".

Wiener FPÖ demonstriert am Mittwoch

In Wien steht bereits am Mittwoch die nächste Demo gegen den "Corona-Wahnsinn" an. Organisator ist die Wiener FPÖ. Bereits am vergangenen Donnerstag wurde vor dem Asylheim Haus Erdberg protestiert. Nun wollen die Wiener Blauen auf dem Heldenplatz ein Signal gegen die "überzogenen" Maßnahmen der Regierung setzen. (Markus Sulzbacher, Daniel Koller, 19.5.2020)