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Der BND hat einen Dämpfer bekommen.

Foto: Reuters

Die anlasslose Massenüberwachung durch den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) im Ausland verstößt in ihrer jetzigen Ausgestaltung gegen Grundrechte. Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag einer Verfassungsbeschwerde gegen das Ende 2016 reformierte BND-Gesetz stattgegeben. Es muss bis spätestens Ende 2021 überarbeitet werden.

Die Verfassungsrichter hoben aber zugleich hervor, dass die gesetzlichen Grundlagen verfassungskonform gestaltet werden können.

Zusammenarbeit mit dem Heeresnachrichtenamt

Aktivitäten im Ausland, auch in Österreich, brachten den BND in den vergangenen Jahren immer wieder international in die Schlagzeilen und ins Kreuzfeuer der Kritik. 2015 wurde bekannt, dass der Bundesnachrichtendienst "befreundete Länder" aus aller Welt gezielt ausspioniert haben soll. 2018 enthüllten der STANDARD und das "Profil", dass der BND zwischen 1999 und 2006 systematisch die Telekommunikation zentraler Einrichtungen in Österreich überwacht hat. Die österreichischen Behörden haben mittlerweile die Ermittlungen auf Eis gelegt. Ein Grund für die Zurückhaltung: Österreichische Behörden wie das Heeresnachrichtenamt arbeiten seit Jahrzehnten eng mit dem BND zusammen.

Klage

Gegen das 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz hatten vor allem mehrere ausländische Journalisten geklagt, die im Ausland über Menschenrechtsverletzungen oder autoritär regierte Staaten berichten. Beteiligt waren an der Klage auch die Organisation Reporter ohne Grenzen und die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen die gesetzlichen Regelungen, die dem Geheimdienst die Überwachung der Telekommunikation etwa im E-Mail-Verkehr von Ausländern im Ausland ermöglichen. Es ging in dem Verfahren dagegen nicht um Kommunikation, an der Deutsche beteiligt sind.

Das Verfassungsgericht machte in seinem Urteil erstmals unmissverständlich klar, dass die Bindung der deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte nicht auf Deutschland beschränkt sei. Der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses und der Pressefreiheit erstrecke sich auch auf Ausländer im Ausland.

Kein Übergriff

"In einer solchen Wirkung der Grundrechte auch im Ausland liegt kein Übergriff in fremde Rechtsordnungen, weil es nur um die Frage der grundrechtlichen Bindung der deutschen Staatsgewalt, nicht um diejenige einer ausländischen Staatsgewalt geht", sagte der Senatsvorsitzende Stephan Harbarth. Diese Bindung verhindere, "dass der Grundrechtsschutz in einer internationalisierten Welt hinter dem Handlungsradius der deutschen Staatsgewalt zurückbleibt oder sogar unterlaufen werden kann".

Die Verfassungsrichter mahnten für eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Telekommunikationsüberwachung unter anderem besondere Schutzvorkehrungen etwa für Journalisten oder Rechtsanwälte an. Sie forderten zudem Begrenzungen und Vorgaben für die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten. Zudem muss dem Urteil zufolge eine unabhängige Kontrolle sichergestellt sein. Die Ausgestaltung der Auslandsüberwachung sei "in verhältnismäßiger Weise zu begrenzen", sagte Harbarth.

Grundsätzlich haben die Verfassungsrichter auch keine Einwände gegen eine Überwachung im Ausland. Die strategische Kommunikationsüberwachung im Ausland durch den BND könne verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, sagte Harbarth. Dies beruhe auf dem "überragenden öffentlichen Interesse an einer wirksamen Auslandsaufklärung im Interesse der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland".

1,2 Billionen Verbindungen

Wie komplex und kompliziert eine Kontrolle ist, zeigten von dem Magazin "Spiegel" und vom Bayerischen Rundfunk veröffentlichte Zahlen. Der BND ist demnach technisch in der Lage, täglich bis zu 1,2 Billionen Verbindungen allein am größten Internetknoten der Welt auszuleiten, dem De-Cix in Frankfurt am Main. Über den Knoten läuft auch viel Kommunikation aus dem Ausland, etwa von Kunden der Telekom Austria.

Interne Dienstvorschriften zeigten, wie durch mehrstufige Filtersysteme und Regeln sichergestellt werden solle, dass der Geheimdienst am Ende nur jene Daten speichert, die er laut Gesetz bei der "strategischen Fernmeldeaufklärung" sammeln darf. (Markus Sulzbacher, APA, 19.5.2020)