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Ein freundliches Lächeln ist ein Anfang, oft scheitern Roboter aber schon daran, ihr Gleichgewicht zu halten. Zukünftig sollen sie aber eine bessere Stütze sein.

Foto: Reuters / Regis Duvignau

Mit seinem Astronautenhelm-Kopf und den Industrieroboterarmen sieht Garmi aus, als würde er später einmal im Weltraum arbeiten. Tatsächlich aber soll der humanoide Assistenzroboter bei ganz irdischen Missionen helfen.

Die Vision ist, dass wir Systeme entwickeln, die Senioren einfache Tätigkeiten im Alltag ermöglichen. Zum Beispiel einfache Mahlzeiten kochen, Dinge vom Boden aufheben, die Tür öffnen oder beim Aufstehen helfen, sodass die Autonomie im Alltag in den eigenen vier Wänden wirklich möglich bleibt, solange es geht", sagte Garmis Mitentwickler Sami Haddadin bei seiner Vitor-Kaplan-Lecture an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Der Roboterforscher leitet an der Technischen Universität München die Munich School of Robotics und Machine Intelligence.

Um alltagstauglich zu sein, braucht Garmi ähnlich viele Sinne und Fähigkeiten, wie wir Menschen sie besitzen, und muss sie mithilfe seiner maschinellen Intelligenz auch effektiv verarbeiten. Das schaffen Assistenzroboter bisher nicht – wenngleich vielerorts daran geforscht wird und schon einige Hilfsroboter zumindest im Testeinsatz sind.

Bei Garmi setzt man neben 3D-Kameras als Augen und Mikrofonen als Ohren auch auf humanoide, feinfühlige Hände mit Tastsinn. "Die visuelle Wahrnehmung allein reicht nicht aus, um sinnvoll und robust mit der Umgebung zu interagieren", sagt Haddadin.

Garmi kann Wasser reichen, aber auch Reha-Übungen durchführen.
Foto: Kurt Bauer

Warum das so ist, erklärt der Forscher anhand eines typischen Einsatzes: "In erster Instanz sieht Garmi vielleicht, dass die Person aufstehen möchte. Vielleicht äußert diese den Wunsch verbal. Im nächsten Schritt spürt Garmi über die Arme, wie viel Kraft aufgebracht werden muss, um die Person zu stabilisieren. Zuletzt könnte Garmi den Druck auf seine Hände wahrnehmen, um zu beurteilen, wann er loslassen kann", erklärt Haddadin.

Ein Sinn für Gleichgewicht

Entscheidend ist, dass der Roboter nicht nur auf das Gleichgewicht seines Besitzers achtet, sondern auch auf sein eigenes. Ähnlich wie bei uns liegt bei Garmi der Schlüssel zum Erfolg darin, dass er seine Körperhaltung und seine Bewegungen erfasst. Mithilfe von Drehmomentsensoren kann seine Regelungstechnik sein Gleichgewicht auch bei unvorhergesehenen Einflüssen auf seinen Rädern ausbalancieren.

Schließlich darf einem Assistenzroboter nicht passieren, was die Teilnehmer einer Roboter-Challenge reihenweise zum Umkippen brachte. Die Maschinen sollten einen Schlüssel ins Schloss stecken und ihn drehen. Doch weil ihr Körper beim Drehschwung zu steif blieb, gerieten sie aus dem Gleichgewicht.

Garmis Arme hat Haddadin ursprünglich mit seiner Robotikfirma Franka Emika unter dem Namen "Panda" entwickelt, um kleinen und mittleren Unternehmen einen preiswerten, leicht zu programmierenden Industrieroboterarm anzubieten. Das liegt auch an seiner Sicherheit.

Seine Drehmomentsensoren sorgen dafür, dass er schon bei leichtestem Widerstand mit menschenähnlicher Schnelligkeit zurückweicht und so Kollisionen mit Menschen vermeidet. In einem Vorführvideo erkannte ein Panda-Arm, der mit einem Nagel auf einen Luftballon zusauste, das zarte Hindernis so schnell, dass er es nur kurz eindrückte, aber nicht durchlöcherte.

Roboterforscher und Leibniz-Preisträger Sami Haddadin von der TU München arbeitet mit seinem Team an einer roboterbetreuten Modellkommune.
Foto: TU München / Andreas Heddergott

Technische Vorzüge allein reichen bekanntermaßen nicht aus, dass Roboterassistenten gut angenommen werden. Deshalb sollen die Senioren zusammen mit Pflegekräften und Ärzten die Entwicklung von Garmi mitgestalten und neue Funktionen früh ausprobieren. Dafür richtet das in Garmisch-Partenkirchen – dem Namensgeber von Garmi und Parti – angesiedelte Forschungszentrum Geriatronik eine Modellkommune für roboterbetreutes Wohnen ein.

"Es ist ganz wichtig zu vermitteln, dass der Roboter nicht einfach auf Gefühlsduselei macht, sondern eine sinnvolle mechanische Unterstützung, also ein Werkzeug sein kann", sekundiert auch Martina Mara, Professorin für Roboterpsychologie an der Johannes-Kepler-Universität Linz.

Omas Wunsch und Albtraum

In den Köpfen herrschten vielfach die Bilder menschenähnlicher Roboter aus Japan vor, die "Oma im Bett den Arm tätscheln, Empathie simulieren und je nach analysierter Stimmung passende Musik spielen". Das schrecke viele ab. Bei einer Befragung von Senioren, was ihnen bei Assistenzrobotern wichtig wäre, wurde denn auch der Wunsch deutlich: "Wenn der mit mir lebt, soll er auf Zuruf auch verschwinden!" Andere haben Angst davor, dass Roboterhelfer ihre soziale Isolation noch weiter verstärken.

Es sei ein hehres Ziel, Menschen durch technische Unterstützung zu längerer Autonomie verhelfen, sagt Mara. Wichtig sei, dass die Rahmenbedingungen wie der Pflegeschlüssel richtig angepasst werden. Es dürfe nicht passieren, dass Roboter zu weiteren Zeiteinschränkungen in der Pflege führen. Auch die Pfleger litten darunter, dass sie keine Zeit mehr fürs Zwischenmenschliche haben.

Die Roboterpsychologin Martina Mara forscht an der Universität Linz daran, wie Menschen am besten mit Maschinen interagieren können.
Foto: APA / Paul Kranzler

Tatsächlich will Haddadin mit Garmi Helfer und Therapeuten nicht ersetzen, sondern ihnen ohne Hetze mehr Zeit etwa für persönliche Beratung verschaffen, und die Senioren im Alltag "als Werkzeug" unterstützen. Dabei werden auch die Kosten eine entscheidende Rolle spielen. Haddadins Ziel ist, dass zukünftige Garmis nicht mehr als ein Mittelklassewagen kosten. Möglicherweise seien sogar Kassenmodelle denkbar. Gelingt bei Garmi die richtige Balance, könnte er in Gegenden mit Ärzte- und Physiotherapeutenmangel einmal buchstäblich zum verlängerten Arm der Heilberufler werden.

Denn der Prototyp lässt sich über sein zweiarmiges Pendant Parti, das wie eine Konsole funktioniert, auch aus der Ferne steuern. Macht der Physiotherapeut an Partis Armen einfache Reha-Übungen vor, kopiert Garmi als sein Avatar die Bewegungen beim Patienten. Umgekehrt erhält der Therapeut eine Kraft-Rückmeldung von Garmi, um etwa den Arm des Patienten sicher und feinfühlig zu greifen. Der Therapeut "kann sein Gegenüber also nicht nur hören und sehen, sondern auch spüren" und so "die Durchführung der Übungen überwachen und anpassen", erklärt Haddadin. "In einem nächsten Schritt soll diese Anwendung mit Physiotherapeuten und Patienten getestet werden "

Individuelles Training

Denkbar sei auch, dass Garmi als Avatar ärztliche und pflegerische Routine- und bei Bedarf Notfalluntersuchungen übernimmt. Alarmiert etwa ein Patient über Garmi seinen Arzt und klagt über Brustschmerzen, könnte der Mediziner diesen durch den Roboter befragen und mit einem Ultraschallgerät untersuchen. Letztlich ließe sich Garmi auf ganz individuelle Aufgaben trainieren, je nachdem, was dem Nutzer nicht mehr so leichtfällt. Der Roboter lernt Bewegungsabläufe, wenn man ihn entsprechend körperlich bewegt – ganz so, wie man jemandem einen Tennisschlag zeigt, indem man seinen Arm führt.

Wie gut Senioren letztlich Hilfe von Garmi und anderen Assistenzrobotern annehmen, könnte auch von anderen Eigenschaften abhängen. Martina Maras Forschung konzentriert sich etwa darauf, welche synthetischen Stimmen die Interaktion erleichtern, um "auszuschließen, dass die Stimme zu Gruseleffekten führt". Je nach Stimme könne sich auch die Erwartungshaltung der lebendigen Kollegen ändern. In einem Test mussten Probanden Roboter nur anhand deren Stimme zeichnen. Hatten sie menschenähnliche Stimmen, wurden sie mit Nase, Mund und Kleidung gezeichnet. Klangen sie eher comichaft, bekamen sie Räder.

Das muss kein Nachteil sein, wie Haddadins Forschung zeigt. Er hofft, dass auch Garmis Aussehen Senioren dabei helfen wird, seine Hilfe anzunehmen. Deshalb ist er "so klein und leicht wie technologisch möglich, das ist objektiv wie auch subjektiv gefühlt viel sicherer". Auch der Astronauten-Look ist mit Bedacht gewählt: "Weil wir doch so viel Positives mit dem Streben nach neuen Welten und der Neugier verbinden." (Veronika Szentpétery-Kessler, 26.5.2020)

Video der TU München mit Roboterassistent Garmi.
Munich School of Robotics and Machine Intelligence