Die Coronavirus-Krise wird das dominierende Thema im Wien-Wahlkampf sein. Verfolgt man die Wortmeldungen der vergangenen Tage – allen voran jene von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der wegen der steigenden Fallzahl mehrmals scharf gegen die Corona-Bewältigungsstrategie in der Bundeshauptstadt geschossen hat –, bleiben keine Zweifel, dass in den nächsten Monaten Stimmenfang im Windschatten der weltweiten Pandemie betrieben werden wird.

Nehammers Gegenüber im aktuellen Konflikt ist Peter Hacker, Gesundheitsstadtrat der SPÖ in Wien. Er fällt oft durch launige, sehr direkte Bemerkungen auf, die manchmal auch überspitzt sind. Zu Beginn der Coronavirus-Krise hat er die Ärzteschaft gegen sich aufgebracht, als er ihr vorwarf, hysterisch zu sein. Überhaupt hat Wien ein sehr selbstbewusstes Auftreten in der jetzigen Situation. Von Anfang an hat man sich nicht nur blind an Vorgaben des Bundes gehalten, sondern auch eigene Strategien entwickelt. Das ist an sich zu begrüßen, weil die jeweilige Landesregierung die Umstände vor Ort wohl am besten kennt.

Der Rathausplatz in Wien.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Die ÖVP erhofft sich bei den Gemeinderatswahlen am 11. Oktober dennoch einen starken Zugewinn. Man hat den Kanzlerbonus, und auch Spitzenkandidat Gernot Blümel ist als Finanzminister Teil der Bundesregierung. Bei der letzten Wahl kam die ÖVP auf nur neun Prozent, das schmerzt sie immer noch sehr.

Krisenmanagement

Die noch nie dagewesene Ausnahmesituation bietet nun viele Möglichkeiten für simple Botschaften. Schuldzuweisungen sind etwa leicht zu äußern. Es ist zu wünschen, dass die Vernunft bei den Verantwortlichen bald aber wieder einsetzt. Denn dass Krisenmanagement partei- und funktionsübergreifend stattfinden sollte, wird vergessen. Wie tragisch angesichts der immer noch ernsten Lage, die sich nun durch die Entdeckung des Clusters rund um die Postlogistikzentren in Hagenbrunn und Inzersdorf zeigt. Zu befürchten ist, dass das nicht die letzte Anhäufung von Corona-Fällen in der Wahlkampfzeit gewesen sein wird.

Die FPÖ hat sich in der Causa rund um die neuen Fälle erwartbar auf die Flüchtlinge gestürzt. Aber auch die Grünen verstehen es, ihre Themen in der Corona-Krise zu setzen. Man denke an die Pop-up-Radwege, zum Beispiel jenen in der Praterstraße, den die grüne Vizebürgermeisterin Birgit Hebein eingeführt hat. Damit kann sie auch mit positiver Resonanz bei der eigenen Stammwählerschaft rechnen.

So schlimm die Pandemie ist, sie wird uns hoffentlich nicht die gesamte nächste Legislaturperiode, die ja fünf Jahre dauert, begleiten. Ja, Krisenmanagement muss kritisch beleuchtet werden dürfen, aber es sollte auch Platz für andere, sehr dringende Themen geben, die zukunftsweisend sind: Bildung, soziales Miteinander, Klimaschutz, Chancengleichheit – das alles darf wegen der Krise nicht untergehen. Gerade wegen Corona wird der Wahlkampf noch emotionaler werden, als es Wien-Wahlen ohnehin immer waren. Man erwischt die Wählerinnen und Wähler auf der Gefühlsebene, weil alle von der Pandemie betroffen sind.

Dieser Umstand darf keinesfalls ausgenutzt werden. Angstmache ist absolut fehl am Platz. Das ist auch die moralische Pflicht der wahlwerbenden Gruppen, sich das einzugestehen. Doch Moral und Stimmenfang widersprechen einander leider des Öfteren. Man kann nur hoffen, dass der Wahlkampf nicht allzu schmutzig wird. (Rosa Winkler-Hermaden, 19.5.2020)