Singapur während des Lockdowns.

Foto: Imago / Olaf Schuelke

Singapur – Wer nach Singapur reist, dem entgeht eines nicht: Der reiche Stadtstaat im Südosten Asiens hält mit seinen drakonischen Strafen nicht hinter dem Berg. "Todesstrafe für Drogenhändler" steht in großen roten Lettern auf dem Zettel, der schon im Flugzeug für die Zoll- und Einwanderungsbehörden auszufüllen ist. Dass die Todesstrafe zunehmend international geächtet ist und der Staat sich durch ihre Anwendung aus dem Bund zivilisierter Nationen herausnimmt – das ficht viele, die in Singapur auf die Härte ihrer Justizbehörden stolz sind, nicht an. 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger unterstützten die Todesstrafe in einer Umfrage im Jahr 2005.

Nun aber wird der Staat erneut für, so die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, unmenschliches Vorgehen kritisiert. Ein Richter hat am Mittwoch einen 37-Jährigen via Zoom-Gespräch zum Tod verurteilt. Punithan Ganesan, ein malaysischer Staatsbürger, soll wegen Herionhandels von den singapurischen Behörden erhängt werden, teilten die Richter ihm via Onlinegespräch mit. Es habe sich um eine "Entscheidung im Sinne der Sicherheit aller Beteiligten" gehandelt, sagte danach eine Sprecherin des Gerichts, wie die Agentur Reuters berichtet. Hintergrund ist der Lockdown, der in der Stadt wegen der steigenden Zahl an Corona-Infektionen noch bis zum 1. Juni andauert.

Berufung, aber nicht wegen Videokonferenz

Ganesans Anwalt Peter Fernando sagte, sein Mandant überlege, in Berufung gegen das Todesurteil zu gehen. Dabei gehe es allerdings nicht um die Methode der Urteilsverkündung – das Ergebnis sei auch via Zoom "laut und deutlich zu hören" gewesen –, sondern um das Verfahren an sich, das unfair verlaufen sei. Die Gerichtsverhandlung selbst hatte noch vor dem Lockdown unter persönlicher Anwesenheit aller Beteiligten stattgefunden.

In Singapur sind derzeit die meisten Gerichtstermine ausgesetzt, um das Risiko von Ansteckungen zu minimieren. Stattfinden sollen nur "dringende Verhandlungen". Wieso ein bereits in Haft befindlicher Verurteilter nun dennoch via Zoom über seine bevorstehende Hinrichtung informiert werden musste, statt ab 1. Juni persönlich darüber unterrichtet zu werden, war vorerst nicht ganz klar. Spekuliert wird aber darüber, dass die singapurische Justiz mit dem Urteil ihre Nulltoleranzpolitik gegenüber Drogenhandel unterstreichen wollte.

Strafe auch gegen Ausländer

Singapur wird dafür immer wieder international kritisiert. Als Drogenhändler gilt in dem Staat etwa, wer 15 Gramm Heroin, 30 Gramm Kokain, 200 Gramm Cannabisharz oder 500 Gramm Cannabiskraut bei sich trägt. In diesem Fall waren Richter lange daran gebunden, verpflichtend die Todesstrafe anzuwenden. Diese Bestimmung wurde erst 2012 etwas aufgeweicht. Mit dem Tod bestraft werden Mord, Mordauftag und Landesverrat. Zudem ist illegaler Schusswaffengebrauch mit dem Tod zu ahnden, wobei es dabei keine Opfer geben, sondern nur eine Waffe abgefeuert werden muss. Immer wieder werden auch Ausländer und Touristen aus dem Westen zum Tod verurteilt.

Regelmäßig laut werdende Vorwürfe, wonach Gastarbeiter eher mit der härtestmöglichen Strafe rechnen müssen, stellt die Regierung entschieden in Abrede. 2018 wurden in Singapur 13 Todesurteile vollstreckt, 2019 vier. In diesem Jahr gab es noch keine Hinrichtung.

Todesurteil via Zoom auch in Nigeria

Neben der Todesstrafe bedient sich Singapur auch der Anwendung von Körperstrafen, konkret mit 24 Hieben mit dem Rohrstock, deren Ziel es ist, bleibende Narben und möglichst ausufernde Schmerzen zu hinterlassen, ohne ernste Verletzungen hervorzurufen. Unter anderem wird dies verhängt, wenn Aufenthaltsvisa mehr als 90 Tage lang überzogen werden.

Es war bereits das zweite Mal, dass Zoom zur Verkündigung eines Todesurteils genutzt wurde. Wie die Singapur-Ausgabe der Plattform "Business Insider" schreibt, wurde auch im nigerianischen Lagos bereits ein Mann via Videokonferenz zum Tod durch den Strang verurteilt. Die kalifornische Firma reagierte nicht auf Anfragen mehrerer Agenturen, wie sie zur Verwendung ihrer Software in Prozessen mit Todesstrafe stehe. (Manuel Escher, 20.5.2020)