Um das Sagen und das Geld bei Österreichs weitaus größter Tageszeitung, die "Krone", streiten die Eigentümer seit Jahrzehnten: Familie Dichands und die deutsche Funke-Mediengruppe – die bei ihren Österreich-Engagements wiederum seit 2018 den Immobilienmilliardär René Benko an Bord hat.

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  • Schiedsentscheid: Ein für den Gesellschafterstreit bei der "Krone" zuständiges Schiedsgericht hat entschieden: Die Funke-Gruppe kann die Vorrechte der Gründerfamilie Dichand nicht kündigen, ohne die ganzen "Krone"-Gesellschaften aufzukündigen. Bei einer solchen Kündigung könnten die Dichands die Funke-Anteile zum sehr günstigen Buchwert übernehmen. Beide halten derzeit 50 Prozent an der "Krone"; die Funke-Gruppe hat die Signa-Gruppe von René Benko an Bord.
  • Kaufangebot: Dichand-Anwältin Huberta Gheneff appelliert nun an die Funke-Gruppe, Verhandlungen über einen Verkauf ihrer "Krone"-Anteile an die Dichands wieder aufzunehmen.
  • Immobilienmilliardär René Benko ist Partner der Funke-Gruppe bei ihren "Krone"- und "Kurier"-Anteilen. Er wollte sie komplett übernehmen – wenn die Vorrechte der Dichands fallen. Das Schiedsgericht bestätigte die Vorrechte nun.

Dichands bereit zu Kaufverhandlungen

Die Familie Dichand hofft nach der Bestätigung ihrer "Krone"-Vorrechte durch ein Schiedsgericht auf den Kauf von "Krone"-Anteilen der Funke-Gruppe: Das erklärte Dichand-Anwältin Huberta Gheneff am Mittwoch auf STANDARD-Anfrage zum am Mittwoch zugestellten Schiedsurteil. Das Schiedsgericht hat die Vorrechte der Familie Dichand – darunter ein millionenschwerer garantierter Gewinn – bestätigt. Sie seien nur zu kündigen, wenn man zugleich die "Krone"-Gesellschaften kündigt.

Die Kündigung der Gesellschaften bedeutet aber, dass der verbleibende Gesellschafter die Anteile des anderen zum – sehr günstigen – Buchwert übernehmen kann. Würde die Funke-Holding für deren Anteile an "Krone" und "Kurier" die "Krone"-Gesellschaftsverträge kündigen, könnten die Dichands die 50 Prozent sehr günstig übernehmen.

Die Dichands und die Funke-Gruppe haben nach STANDARD-Infos zuletzt 2017/18 über einen Rückkauf der "Krone"-Anteile von den deutschen Gesellschaftern verhandelt. 2018 gab es ein gemeinsames Übernahmeangebot der Dichands und von Raiffeisen für den Kauf der Funke-Anteile an der "Krone" beziehungsweise am "Kurier", an dem Raiffeisen eine knappe Mehrheit hält. "Krone" und "Kurier" haben einen gemeinsamen Verlagskonzern, die Mediaprint, die größte österreichische Zeitungsgruppe.

Kolportiert wurden in den vergangenen Jahren Kaufangebote von rund 60 Millionen Euro für die 50 Prozent der Funke-Gruppe an der Krone, andere Quellen nannten höhere Summen bis zu 100 Millionen.

Benkos 160 Millionen für "Krone"- und "Kurier"-Anteile

Ende 2018 holte die Funke-Gruppe zur Überraschung der Dichands Immobilienmilliardär René Benko an Bord, er übernahm 49 Prozent an der Funke-Beteiligungsholding für ihre "Krone"- und "Kurier"-Anteile. Die Vorkaufsrechte der Dichands für "Krone"-Anteile griffen da nicht.

Funke und Benko sollen insgesamt an die 160 Millionen Euro Kaufpreis vereinbart haben – für die kompletten 50 Prozent an der "Krone" sowie 49,44 Prozent am "Kurier". Die Hälfte, rund 80 Millionen Euro, sollen beim Einstieg als Minderheitsgesellschafter geflossen sein.

Die übrigen rund 80 Millionen sollten an die Funke-Gruppe gehen, wenn die Vorrechte der Dichands fallen – und damit Benkos Bedingung für die Komplettübernahme der Funke-Anteile erfüllt ist. Benko soll sehr überzeugt davon gewesen sein, dass die Vorrechte der Dichands nicht zu halten sind. Die Verträge sollen aber auch Modalitäten für einen Ausstieg Benkos vorsehen.

DER STANDARD bat Funke-Gruppe und Signa-Gruppe am Mittwoch um Stellungnahme zur Schiedsentscheidung und den Konsequenzen. Wir ergänzen sie bei Vorliegen so rasch wie möglich.

"Sollten zu seriösen Verhandlungen zurückkehren"

Huberta Gheneff, die für die Dichands nun schon das zehnte Schiedsverfahren gegen die Funke-Gruppe gewonnen hat, sieht in der Entscheidung ein Signal, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Die Funke-Gruppe wolle sich schon seit 2015 aus den österreichischen Medienbeteiligungen zurückziehen. Familie Dichand wolle ihre Anteile aufstocken, erklärt Gheneff und sagt: "Wir sollten dorthin zurückkehren, wo wir 2017/2018 waren: seriöse Verhandlungen."

Ob Familie Dichand die Anteile alleine übernehmen würde oder mit Partnern, kommentierte Gheneff auf STANDARD-Anfrage nicht.

Die Funke-Gruppe habe zuletzt vorgerechnet, wie viele Schiedsgerichtsverfahren sie schon in Sachen "Krone" angestrengt und jedenfalls nicht gewonnen habe. Am Mittwoch erging die Entscheidung im zehnten dieser Verfahren.

Die Funkes versuchten ab 2001 Hans Dichand als Hauptgeschäftsführer abzusetzen, dann dessen Sohn Christoph Dichand als Chefredakteur zu verhindern, sie bekämpften ab 2010 nach Hans Dichands Tod die Gewinngarantie für die Dichands, insbesondere die Witwe Helga Dichand, die Garantie der Funke-Gruppe für die Gewinne und seither noch die gesamten Rahmenvereinbarungen zu den Vorrechten.

Dichand sieht Vorrechte "vollinhaltlich bestätigt"

"Krone"-Herausgeber und Eigentümervertreter Christoph Dichand ließ am Mittwoch verlauten, ein Schweizer Schiedsgericht habe die Vorrechte der Dichands in den Verträgen mit der Funke-Mediengruppe "vollinhaltlich" bestätigt. Er sieht damit die Rechte seiner Familie, "vor allem aber die Grundwerte der 'Kronen Zeitung' letztgültig manifestiert", ließ er verlauten: "Was vereinbart wurde, ist einzuhalten."

Das Schiedsgericht bestätigte nach STANDARD-Infos die Gültigkeit sowohl der "Krone"-Vorrechte für die Dichands als auch die Syndikatsverträge zwischen Dichands und Funke im Verlagskonzern Mediaprint, wo die Funkes laut Verträgen mit den Dichands stimmen müssen.

Die Entscheidung zementiert vorerst die jahrzehntelange Pattsituation zwischen den "Krone"-Eigentümern, Familie Dichand und der deutschen Funke-Gruppe, die 2018 die Signa-Gruppe von René Benko an "Krone" und "Kurier" beteiligt hat.

Jahrzehntelanger Streit Dichand vs. Funke-Gruppe

Um das Sagen und das Geld bei Österreichs meistgelesener und nicht nur an politischem Einfluss reichster Tageszeitung streiten die Eigentümer seit Jahrzehnten. Die "Krone" gehört zu je 50 Prozent der Gründerfamilie Dichand und der deutschen Funke-Mediengruppe ("Westdeutsche Allgemeine", "Hamburger Abendblatt", "Hörzu"). Seit 2018 hält der österreichische Immobilienmilliardär René Benko über seine Signa-Gruppe eine Minderheitsbeteiligung an den Funke-Beteiligungen in Österreich bei "Krone" und "Kurier".

Sieben Millionen Euro garantierter Gewinn

Die Vereinbarungen aus 1987, als die Funke-Gruppe bei der "Krone" einstieg, wurden erst 2003 fixiert. Sie garantieren den Dichands einen jährlichen Vorabgewinn von mehr als sieben Millionen Euro, unabhängig vom Geschäftsgang und Gewinn der "Krone". Die Mitgesellschafter müssen für diesen Gewinn aufkommen, wenn ihn die "Krone" nicht abwirft, das war in den vergangenen Jahren bereits der Fall.

Die Dichands haben zudem das Sagen in der Redaktion und bei ihrer personellen Besetzung.

Die jüngsten Angriffspunkte der Funke-Gruppe

Die Funke-Gruppe hat seit dem Einstieg von René Benko einige neue Angriffe gegen Christoph Dichand und seine Familie gestartet.

  • Im Frühjahr 2019 beantragte sie die Abberufung und Entlassung Christoph Dichands als Herausgeber und Chefredakteur der "Kronen Zeitung" wegen Spesen- und Abrechnungsvorwürfen.
  • Die Anträge scheiterten an der Pattsituation in der Gesellschafterversammlung mit 50:50 Prozent der Stimmen.
  • Die Funke-Gruppe brachte die Abstimmungen vor das Handelsgericht Wien. Sie argumentiert: Mit der Aufteilung der 50 Prozent "Krone"-Anteile von Hans Dichand auf seine Witwe Helga und die drei Kinder Michael, Johanna und Christoph halten die vier Erben jeweils 12,5 Prozent. Stimmrechte gebe es aber nur für volle Prozente Gesellschaftsanteil – die Dichands hätten nun deshalb nur viermal zwölf, also 48 Prozent Stimmrechte und wären damit in der Minderheit. Die Verfahren am Handelsgericht wurden bis zu einer Entscheidung des Schiedsgerichts unterbrochen.
  • Mit der Verwässerung der Stimmrechte der Dichands argumentiert die Funke-Gruppe seit Jahreswechsel auch vor den Kartellbehörden: Sie meldete alleinige Kontrolle über die "Kronen Zeitung" an, weil sie ja 50 Prozent Stimmrechte habe und die Dichands nur 48. Die Bundeswettbewerbsbehörde brachte den Antrag zur Klärung vor das Kartellgericht (Oberlandesgericht Wien).
  • Zuletzt meldete die "Presse", dass die Funke-Gruppe die Auszahlung von "Krone"-Gewinnen an die Dichands verweigere. Das tat sie schon einmal. Diese Frage hing vorerst ohnehin an der nun ergangenen Entscheidung des Schiedsgerichts – das erst klärt, ob die Dichands weiter ihren garantierten Gewinn bekommen müssen oder nur die Hälfte des tatsächlichen Gewinns.

Die Größe der "Krone"

27,2 Prozent der Österreicherinne und Österreicher ab 14 Jahren lesen nach eigenen Angaben laut Media-Analyse täglich die "Kronen Zeitung". Österreichs zweitgrößte Tageszeitung, die kostenlose "Heute" kommt auf 12,2 Prozent bundesweit. In Wien hat "Heute" die "Krone" überholt. Herausgeberin von "Heute" und wesentlich über eine Stiftung beteiligt ist Eva Dichand, die Frau von "Krone"-Herausgeber und Eigentümervertreter Christoph Dichand.

Der "Kronen Zeitung" und dem "Kurier" gehört Österreichs größter Zeitungsverlagskonzern Mediaprint zu je 50 Prozent mit einem Jahresumsatz von rund 420 Millionen Euro. Der "Kurier" gehört zu 50,56 Prozent Raiffeisen, die übrigen 49,44 hält die Funke-Gruppe zusammen mit René Benkos Signa-Gruppe.

Dichand zur Entscheidung des Schiedsgerichts

Christoph Dichand per Aussendung am Mittwoch über die Entscheidung:

Das im Rahmen des Schweizer Schiedsgerichtsverfahrens zwischen den Hälfte-Eigentümern der "Kronen Zeitung" ergangene Urteil bestätige die vollinhaltliche Gültigkeit der vertraglichen Vereinbarungen aus dem Jahr 1987. Christoph Dichand sehe damit die Rechte der Familie Dichand, vor allem aber die Grundwerte der "Kronen Zeitung" letztgültig manifestiert:

"Was vereinbart wurde, ist einzuhalten. Dem Grundsatz sind meine Familie und ich stets treu geblieben.

Die Krone, ihre Redaktion und die Familie Dichand sind seit Jahrzehnten untrennbar miteinander verbunden. Zusammen waren und sind wir der Garant für den Erfolg bei den Leserinnen und Lesern in ganz Österreich. Sie können sich auf unsere Grundwerte – Mut, Haltung und Unabhängigkeit – verlassen. Umso mehr werden wir gemeinsam mit der Redaktion den eingeschlagenen Weg ganz im Sinne des Vermächtnisses meines Vaters auch in Zukunft unbeirrt und bestärkt weitergehen: die Meinungs- und Pressefreiheit hochzuhalten und weiterhin zu 100 Prozent den Leserinnen und Lesern verpflichtet zu sein."

Diese Story wird laufend ergänzt.

  • Update 20.5.2020, 15:20: Aufruf zu Verhandlungen über Kauf der Funke-Anteile

(fid, 20.5.2020)