Analysen der TU Graz belegen die effiziente Arbeitsweise der zelluloseabbauenden biologischen Nanomaschine Zellulosom.
Foto: Lunghammer/TU Graz

Graz – Zellulose aus Biomasse wie etwa Holz ist ein äußerst stabiles Material, das sich chemisch oder enzymatisch nur schwer abbauen lässt. Das erschwert beispielsweise die Nutzung von Zellulose-Biomasse in Bioraffinerien. Manche Bakterien verfügen jedoch über ein sehr effektives, sogenanntes Zellulosom, das ihnen beim Aufschließen der Zellulosemoleküle hilft. Grazer Forscher konnten diese vorbildlich arbeitenden biologischen Nanomaschine nun sichtbar machen.

Zellulose in pflanzlichen Fasern spielt als Zuckerquelle für die Biotechnologie eine wichtige Rolle, da sie leicht und relativ billig in großen Mengen verfügbar ist. Sie ist allerdings ein strukturell komplexes, festes Biomaterial, das sich ausgesprochen resistent gegenüber chemischem oder enzymatischem Abbau erweist.

Kaum konkurrenzfähig

Durch ihre strikt kristalline Struktur stellt es einzelne Enzyme, die Zellulose hydrolytisch abbauen können (Zellulasen) vor große Probleme. Das macht den Einsatz von Zellulose gegenüber der Verwendung von stärkehaltigen Rohstoffen nicht konkurrenzfähig. "Erst wenn es nachhaltige und kosteneffiziente Ansätze für den Abbau von Zellulose gibt, wird man damit beginnen, Treibstoffe , Chemikalien und Materialien in großem Stil aus pflanzlicher Biomasse herzustellen", ist daher der Leiter des Grazer Instituts für Biotechnologie und Bioprozesstechnik, Bernd Nidetzky, überzeugt.

Der Grazer Biotechnologe erklärte die zwei Wege des enzymatischen Zelluloseabbaus. Der eine funktioniere über Zellulasen, also verschiedene Polysaccharidhydrolasen, die sich in ihrer Spezifität und Wirkweise unterscheiden, aber gemeinschaftlich zum Abbau des lignozellulosischen Substrates beitragen. Sie fügen sich aber nicht zu größeren Proteinkomplexen zusammen.

Die Grazer Forscher richten ihr Augenmerk daher auf den zweiten Weg: Das Zellulosom von anaerob lebenden, zelluloseabbauenden Bakterien. Dieses sei tatsächlich ein Proteinkomplex, in dem die notwendigen Enzyme geordnet und physisch miteinander verbunden angesammelt sind. Nidetzky spricht in diesem Fall von einer "biologischen Nanomaschine". Sein Team hat im Rahmen eines FWF-Projektes Einzelmolekülstudien mittels hochauflösender Rasterkraftmikroskopie durchgeführt, um den Abbau der Zellulose durch das Zellulosom zu visualisieren. Die Ergebnisses haben die Forscher im Fachmagazin "ACS Central Science" veröffentlicht. Ein Video des Vorgangs gibt es hier.

Dynamische Anpassung

In der Studie auf Einzelmolekülebene habe sich gezeigt, dass sich die Nanomaschine dynamisch an unterschiedliche Oberflächengegebenheiten der Zellulose angleichen kann: "Wenn sich das Zellulosom an die Zellulosefaser bindet, kann es sich an die dreidimensionale Struktur des Substrats anpassen. Wir haben in der Studie erstmals gesehen, wie es sich an der Oberfläche verhält", erklärte Nidetzky. Während Zellulasen die Faser gleichsam beim Vorbeigleiten an den kristallinen Zelluloseoberflächen abschaben würden, seien die Zellulosome minutenlang lokal gebunden. "Sie graben sozusagen in die Tiefe und fragmentieren die Faser", umschrieb Nidetzky den Prozess.

Laut Nidetzky würden die Analysen der bisherigen Untersuchungen belegen, dass das Zellulosom "herausragend effizient im Zelluloseabbau" sei und eine zentrale Rolle in der Entwicklung neuer Ansätze für Bioraffinerien spielen könnte. "Wenn wir die individuellen Stärken der mittlerweile industriell herstellbaren Zellulasen und des Zellulosoms gemeinsam einsetzen, könnte der Abbau schneller, vollständiger und mit geringerem Enzymbedarf durchgeführt werden", vermutet Nidetzky. So könnten die Synergien beider Abbaumechanismen beim Design hybrider Abbausysteme helfen und neue Perspektiven für Anwendungen in Bioraffinerien liefern. (red, APA, 24.5.2020)