Anschober während der Pressekonferenz zum Thema "Situation von Coronavirus-Patienten in Intensivstationen" am Mittwoch in Wien.

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Wien – Die Situation auf den Intensivstationen ist weiter stabil: Aktuell befinden sich 37 Menschen österreichweit in intensivmedizinischer Behandlung, den Höchststand gab es am 8. April mit 267 Patienten, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. "Erstmals haben wir mit 838 aktiv Erkrankten wieder die Grenze von 1.000 unterschritten."

Auch die Prognose bis nächste Woche lasse "keine großen Veränderungen" erwarten. Anschober verwies aber darauf, dass Covid-19-Patienten eine "überdurchschnittliche Belagsdauer von rund 20 Tagen" auf den Intensivstationen benötigen. "Die Frage der Intensivstationen war von Beginn an eine sehr kritische, es ist uns gut gelungen, eine Überlastung zu verhindern. Ich möchte mich bei allen Mitarbeitern im Gesundheitssystem bedanken", sagte der Ressortchef.

633 Personen sind bisher an oder mit Covid-19 verstorben. Hier gebe es eine "sehr klare Altersstruktur". Laut Anschober machten Menschen über 90 Jahre fast 20 Prozent aus, 40 Prozent waren 80 bis 90 Jahre alt, 28 Prozent 70 bis 79 Jahre und acht Prozent 60 bis 69.

Virus ist "Chamäleon"

"Das Virus hat uns kalt erwischt, aber wir haben unsere Aufgaben gemeinsam bravourös gemacht", sagte der Infektiologe Florian Thalhammer von der Medizinischen Universität Wien. "Es ist ein Chamäleon, wir lernen täglich neue Dinge", konstatierte der Experte in Bezug auf zahlreiche Symptome, die auftreten können. Geschmacksstörungen seien beispielsweise zunächst als Rarität bemerkt worden, mittlerweile wisse man, dass diese 20 bis 30 Prozent der Infizierten bekommen. Auch Frostbeulen kämen vor. Er betonte, dass eine genaue Anamnese wichtig sei: "Fieber messen allein ist zu wenig."

Auch Günter Weiss, Internist und geschäftsführender Direktor der Medizinischen Universität Innsbruck, erläuterte, dass es unterschiedliche Krankheitsbilder gibt. Wichtig sei, die Patienten rechtzeitig abzufangen, wenn sich deren Gesundheitszustand verschlechtert. Ebenso müsse darauf geachtet werden, dass es auf den Infektionsstationen Kapazitäten für Intermediate Care (Bindeglied zwischen Intensiv- und Normalstation) gebe, um "nichtinvasive Beatmung durchzuführen und zu verhindern, dass Patienten auf die Intensivstation kommen".

Aufruf zu Grippeimpfung

Zu Sars-CoV-2 und Covid-19 seien jedenfalls noch viele Fragen offen, "auch wenn wir in den letzten Wochen relativ viel dazugelernt haben", sagte Weiss. "Ich glaube, wir werden noch viele Aha-Erkentnisse haben, bis wir dieses Virus intellektuell intus haben", meinte auch Thalhammer. Außerdem riet er eindringlich dazu, sich im Herbst gegen die Grippe impfen zu lassen. Bis zum Herbst, wenn auch die Influenzasaison wieder startet, müsse man jedenfalls Awareness schaffen.

Klaus Markstaller, Leiter der Universitätsklinik für Anästhesie, Allgemeine Intensivmedizin und Schmerztherapie der Medizinischen Universität Wien, fasste das bisherige Corona-Management folgendermaßen zusammen: "Man hat das Gefühl, dass man mit einem Schiff in ein Gewässer fährt, wo andere in Seenot gekommen sind oder am Kentern waren." Retrospektiv wisse man nun, dass man nicht in einen Sturm geraten sei, auch wenn in Tirol und Wien in bestimmten Krankenhäusern das Personal durchaus gefordert gewesen sei. "Aber es war nie eine Seenot, es war nie eine Überlastung des Systems, es konnte stets Individualmedizin betrieben werden", betonte Markstaller.

Nunmehr befinde man sich "auf der Rückfahrt mit diesem Schiff Richtung sicheren Hafen". Dieser sei in dieser Metapher "eine kausale Therapie oder Immunisierung im größeren Stil", was aber beides in näherer Zukunft noch nicht absehbar ist. Markstaller betonte auch, dass 80 bis 85 Prozent der Intensivbetten stets mit Patienten, die nicht an Covid-19 erkrankt waren, belegt waren. Die Struktur der Krankenhäuser sei so gut, dass es problemlos möglich sein sollte, dass es keine "second victims" gibt, also Personen, die nicht direkt in Zusammenhang mit Corona, sondern als Folge daraus Schaden nehmen.

Anschober für Beibehaltung der Maskenpflicht

Gesundheitsminister Anschober sprach sich für die Beibehaltung der Maskenpflicht aus. "In der jetzigen Situation erfüllt die Maske eine wesentliche Funktion", sagte er. Allerdings könne er sich vorstellen, dass es "irgendwann eine gewisse Flexibilität geben könnte". Bereits mehrfach angekündigt hat der Gesundheitsminister eine große Detailevaluierung aller Maßnahmen in der ersten Junihälfte. "Da werden wir uns solche Fragen dann ansehen", kündigte Anschober an.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hält angesichts der aktuell niedrigen Covid-19-Neuinfektionen nichts von einer Mund-Nasen-Schutz-Pflicht im Freien für Beschäftigte in der Gastronomie. "Die Dringlichkeit zum Tragen von Masken draußen sehe ich nicht gegeben", sagte sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien auf Journalistennachfrage.

"Aufgrund der positiven infektiologischen Entwicklung in Österreich muss man das neu bewerten", so die SPÖ-Chefin. Rendi-Wagner ist ausgebildete Fachärztin für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. Es sei aktuell "nicht sehr dringend", dass das Personal im Schanigarten Maske trägt. Auch bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren kann sich Rendi-Wagner eine Lockerung der Maskenpflicht in der Schule vorstellen. "Das Maskentragen bei Kindern sollte man sich fachlich genauer anschauen." Man sollte die Sinnhaftigkeit und die wissenschaftliche Evidenz analysieren.

Kein Erlass zu Strafen für Privatbesuche

Das Gesundheitsministerium wird laut Anschober keinen Erlass herausgeben, wie die Bundesländer mit den Strafen für Privatbesuche umgehen sollen – nachdem das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich eine solche aufgehoben hat, weil "Aufenthalt in privaten Räumen" nie untersagt gewesen sei. Wien und Niederösterreich erwägen die Rückzahlung auf dem Kulanzweg. "Wir beobachten und schauen uns das Urteil in Niederösterreich an", sagte Anschober. Die Juristen im Ministerium werden die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts prüfen. (APA, 20.5.2020)