Die Sache mit Leerstand ist vor allem eines: kompliziert. Denn nur weil kein Licht brennt, heißt das noch lange nicht, dass hier niemand wohnt.

Foto: Standard / Eva Schuster

Wohnen in Städten wie Wien oder Innsbruck ist in den letzten Jahren teuer geworden. Wer eine zentral gelegene, schöne und obendrein leistbare Wohnung findet, muss schnell sein. Solche Wohnungen sind Mangelware, möchte man meinen. Wer durch die Stadt spaziert, bekommt mitunter einen anderen Eindruck. In der einen oder anderen Wohnung brennt abends nie Licht. Auf Klingelschildern stehen keine Namen. Wer genauer hinsieht, merkt: Hier geht niemand ein und aus. Es scheint also nichtgenutzte Wohnungen in eigentlich begehrten Lagen zu geben.

Aber die Sache mit dem Leerstand ist kompliziert. Wie soll er definiert, wie erhoben und dokumentiert werden? Wie viele Wohnungen stehen nicht nur vorübergehend – etwa aufgrund von Mieterwechseln – leer, sondern längerfristig? Vielleicht spekulativ, um die Preise anzuheizen? Das beschäftigt Wohnbauforscher und die Politik. Oft hilft man sich bei Erhebungen mit dem Stromverbrauch. Die Hypothese: Wo kein Strom verbraucht wird, wohnt niemand. Nur gibt es Menschen, die eine Wohnung bewohnen, aber kein Geld für Strom haben. Selbiges gilt für Erhebungen mithilfe des Melderegisters: Auch in Wohnungen, in denen niemand gemeldet ist, könnte jemand leben.

Leerstand in Wien

In Innsbruck versuchte sich die Stadtregierung vor einigen Monaten an einer Leerstandserhebung. 2000 Wohnungen dürften dort langfristig leerstehen, wie eine Auswertung des Stromverbrauchs ergab. 2000 weitere Einheiten könnten kurzfristig leerstehen. Zweifel an den Zahlen und Kritik an der Erhebungsmethode kamen aber wiederholt von der Opposition. Auch Vorarlberg wollte es 2018 genauer wissen: Insgesamt standen im Ländle 8400 Wohnungen leer – 2000 davon könnten kurzfristig mobilisiert werden, so die Conclusio.

Die Stadt Wien erhob 2015 den Leerstand. 10.000 Wohnungen standen langfristig leer. 25.000 Wohnungen waren vorübergehend ungenutzt. Man werde sich das Thema noch genauer anschauen, hieß es bei der Präsentation. Das dürfte nicht passiert sein. In welchen Segmenten und bei welchen Eigentümerstrukturen es viel Leerstand gibt, weiß man bis heute nicht.

Diskutiert wird oft über den Leerstand in Gemeindewohnungen. 20.000 würden leerstehen, verkündete die Wiener ÖVP 2017. Die Stadt widersprach vehement. 7000 Wohnungen seien es 2019 gewesen, teilte das Wohnbauressort dem STANDARD mit. Das entspreche dem "allgemein üblichen Wert", denn nach Mieterwechseln sind Instandsetzungsarbeiten nötig.

Problem für Wohnungsmarkt

"Ich vermute ein größeres Problem im freifinanzierten Neubau", sagt Mara Verlic von der Abteilung Kommunalpolitik der AK Wien. Sie erklärt das mit dem Run auf Betongold. Das führe zu einem Bauboom von Wohnungen als Anlageprodukten, die nicht zum Wohnen, sondern zur Spekulation gekauft werden. Die Rahmenbedingungen würden es lukrativ erscheinen lassen, sich den Aufwand einer Vermietung zu sparen. "Leerstand ist zu billig", kritisierte auch die Architektin Gabu Heindl vor kurzem bei einer Veranstaltung. Problematisch findet sie Leerstand auch deshalb, weil die öffentliche Hand die Infrastruktur für die Wohnhäuser schafft.

Auch Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen, der 2018 die Leerstandserhebung in Vorarlberg durchgeführt hat, sagt, dass Leerstand in Städten wie Wien ein Problem für den Wohnungsmarkt ist: "Ich gehe davon aus, dass in den neuen Wohntürmen in Wien ein Drittel der Wohnungen leerstehen wird." Österreichweit seien Wohnungen ohne Hauptwohnsitzmeldung jenes Bestandssegment, das am stärksten wächst. Darüber müsse man diskutieren.

Der Wiener Immobilienmakler David Breitwieser von Optin Immobilien hingegen betont, dass Wohnungen nicht gekauft würden, um sie leerstehen zu lassen. Spekulativen Leerstand bemerkt er in Wien nicht. Er befürchtet in den kommenden Jahren aber Leerstände in manchen Wiener Flächenbezirken, in denen derzeit Großprojekte in die Höhe wachsen.

Wohnungen auf den Markt bringen

Zur Mobilisierung des Leerstands gibt es viele Ideen. Als mögliche Lösung werden immer wieder Leerstandsabgaben bzw. -steuern diskutiert (siehe Infokasten unten). Für Mara Verlic stellt sich in diesem Zusammenhang aber die Frage der tatsächlichen Umsetzbarkeit. In Amsterdam habe die Leerstandsdebatte zudem zu Zwischennutzungen und "prekären Formen des Wohnens" geführt. Vorbild für Wien sollte das Modell also keines sein.

Auch Wohnbauforscher Amann sieht Leerstandsabgaben kritisch. Er plädiert stattdessen für Änderungen im Mietrecht, mit denen die Vermietung von Wohnungen für Privatvermieter einfacher wird. Leerstand sollte aber auch teurer werden, etwa indem die Instandhaltungsrücklagen für Eigentümer erhöht werden.

Im gemeinnützigen Wohnbau liegt der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag bei bis zu zwei Euro. Inklusive Betriebskosten und Mehrwertsteuer sei man so schnell bei monatlichen Quadratmeterkosten von drei bis vier Euro, rechnet Amann vor: "Das wäre eine Größenordnung, bei der es ökonomisch nicht mehr attraktiv ist, eine Wohnung leerstehen zu lassen." (Franziska Zoidl, 26.5.2020)