"Ohne Kultur ist alles nichts": Demonstration mit Distanz vor dem Innsbrucker Landhaus vom Mittwoch, 20. Mai.

Ivona Jelcic

Auf dem Platz vor dem Innsbrucker Landhaus trägt man am Mittwoch Mund-Nasen-Schutz, Namensschilder samt Berufsbezeichnung und eine Botschaft vor sich her: Hunderte Kulturschaffende aus diversen Sparten haben sich zu einer Schweigeminute für den "drohenden Kulturtod" versammelt. Es folgt ein Pfeifkonzert, das Frustrationslevel ist hoch. Wien ist weit weg, da bleibt nur das Amt der Landesregierung als Anlaufstelle, auch dort regiert Schwarz-Grün.

Die Länder haben mit Arbeitsstipendien, Atelierförderungen und anderen Hilfsmaßnahmen rasch reagiert. Das Überleben sichert das langfristig aber nicht, zudem treten in der Praxis Probleme auf: In Vorarlberg übte die Interessenvertretung der freien Szene (IG Kultur Vorarlberg) zuletzt scharfe Kritik an "undurchdachten Maßnahmen", die sich wegen bürokratischer Tücken "teilweise gegenseitig aushebeln".

Experten einbinden

Experten aus dem Kulturbereich würden vom Land zu wenig eingebunden, so IG-Geschäftsführerin Mirjam Steinbock. Man habe wochenlang auf einen runden Tisch gepocht, dazu gekommen sei es erst diese Woche. Auch in Tirol bemühen sich Kulturvertreter darum, Expertise einzubringen: Politische Vertreter sollen sich "Wissen aneignen, um in Wien Lobbyarbeit machen zu können", sagt Arno Ritter, Chef von Architektur und Tirol (aut) in Innsbruck. Angehört worden seien dort bisher "hauptsächlich die großen Player", Vertreter von bundeseigenen Einrichtungen.

In Innsbruck setzt Norbert Pleifer derweil auf eigene (Not-)Lösungen: Seit die Gastronomie im Treibhaus wieder geöffnet ist, trifft man dort dessen Gründer, streitbares Urgestein der Szene, als Pestdoktor mit weißem Arztkittel, Schnabelmaske und Klingelbeutel an. Mit dem Geld aus dem von ihm eingerichteten Katastrophenfonds engagiert er Künstler, Techniker und andere Kulturarbeiter als Platzanweiser, lädt sie zum Essen ein, bezahlt Gagen für spontane Konzerte.

Weiterwarten

Ungelöste Fragen führen indes auch auf kommunale Ebene: Das Treibhaus steht auf städtischem Grund, die Pachtzahlungen an die Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) hat Pleifer inzwischen eigenmächtig eingestellt. Seither flattern ihm Mahnungen ins Haus. Die grüne Kulturstadträtin Uschi Schwarzl hält Reduktionen auf STANDARD-Anfrage für ein "wichtiges Signal", die IIG verweist auf anstehende politische Gespräche. Das heißt für Mieter: weiterwarten.

In den Ländern wartet man auf Verordnungen des Bundes und veröffentlicht wie zuletzt in Tirol dringende Appelle – auch als Signal an die lokalen Szenen. Denn der Druck steigt. In Wien, wo Wahlen anstehen, hat die Stadt jetzt einen eigenen Leitfaden für Kulturveranstaltungen herausgebracht. Womöglich werden andere dem Beispiel folgen. (Ivona Jelčić, 22.5.2020)