Heinz-Christian Strache, vormals FPÖ, will wieder in den Wiener Gemeinderat.

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Über das Sein im Allgemeinen wird seit Jahrtausenden gerätselt. Gewissheit besteht hingegen über dessen österreichische Variante: So sind wir nicht! Wie wir sind, dazu Erhellendes aus den letzten Tagen

Der Bewohner des Sumpfes, den die Justizministerin aus Anlass eines einjährigen Jubiläums auszutrocknen ankündigt, kündigt die Verlegung seiner Betätigung in den Wiener Gemeinderat an. Wer sich angesichts dieses Zusammenfalls von Sauberkeitsvorstellungen, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten, ein Lüftchen der Entrüstung erwartet hätte, konnte getrost alle Hoffnung fahren lassen. Denn siehe oben: So nachtragend sind wir nicht. Zwar wurde die mittlerweile ein Jahr alte Entrüstung in den Medien wieder einmal aufgewärmt, aber die aktuelle Kühnheit, sich von einer Lex Strache in ein neues Leben auf Kosten der Wiener Steuerzahler begleiten zu lassen, wurde nicht so gewürdigt, wie sie es verdient hätte. Ein H.-C. als Gemeinderat mit fantasierter Aussicht auf den Bürgermeistersessel stört niemanden aus seiner Corona-Ruhe, wie das in zivilisierteren Ländern vielleicht der Fall gewesen wäre.

Ein Monument des Selbstmitleides, beutelt er sich auf dem Boulevard von den Inselflöhen ab, rühmt sich als "Überzeugungstäter" (Österreich) seiner Unwandelbarkeit und lässt sich von der Kronen Zeitung als "der Auferstandene" ansprechen, was vermutlich Dichands Erleichterung entsprang, seinen Qualitätsanspruch doch nicht an eine pseudorussische Oligarchin abtreten zu müssen. Und eh wahr: Auch Strache fühlt sich als Gekreuzigter, mit der Erleichterung, dass es Wodka statt Essig gab.

Es fehlt noch, dass Strache sich als den sauberen Kandidaten rühmt, dem Österreich ein längst fälliges Gesetz gegen Vor-ab-Korruption zu verdanken hat. Was künftig bestraft werden soll, wenn Alma Zadić halten darf, was sie versprach, hat er hinter sich, weil er als Nationalratsabgeordneter für die Umsetzung seiner Anregungen nicht zuständig war. Künftig wäre er wohl selbst als nicht amtsführender Stadtrat für Lederhosenbesäufnisse nicht frei vom Druck einer Lex Strache. Bei diesem Risiko ist es an der Zeit, das Gute zu würdigen, dass er dem Land und vielleicht bald auch der Stadt beschert hat und noch bescheren wird. Dass es dazu keiner Absicht bedurfte, sollte sein Verdienst in den Augen der Öffentlichkeit nicht schmälern – so sind wir nicht.

Wie auch, wo wir vollauf damit beschäftigt werden, eine Risikoabschätzung zwischen den Clustern Wien und Kleinwalsertal vorzunehmen, wobei uns Karl Nehammer aufopfernd zur Seite steht. Genau genommen geht es darum, mit dem Cluster Wien den Cluster Kurz vergessen zu machen, seit das Kleine Walsertal zu einem Ischgl unter Kanzleraufsicht mutierte. Kurz musste davon ausgehen, dass die Kleinwalsertaler im Sinne der Regierung vor der potenziellen Virenschleuder aus Wien mit Grausen Reißaus nehmen würden, und nur, um das zu überprüfen, war er dort. Wer, selbst eine Mei-Pochtler, konnte ahnen, wie das ausgeht? Aber in einem Land, in dem die Polizei oberste Gesundheitsbehörde wird und ihr Minister der Chefvirologe mit Spezialgebiet Wien, vernachlässigt man leicht die hauseigene Message-Control. Dabei kann man von Strache lernen, welche Gefahren Selbstüberschätzung birgt. (Günter Traxler, 22.5.2020)