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Keine Distanz, aber Masken: Ganz so wie immer sahen die Bilder aus Peking am Donnerstag nicht aus.AP / Andy Wong

Foto: AP / Pool / Andy Wong

Eine Öffnung der Schulen, ein Besuch Präsident Xi Jinpings in Wuhan und der Nationale Volkskongress – laut dem China-Kenner und Herausgeber des Sinocism-Newsletters, Bill Bishop, wären das die drei Punkte, an denen man erkennen könne: Die Kommunistische Partei Chinas hat das Coronavirus unter Kontrolle gebracht. Zwar sind im Nordosten Chinas gerade rund 100 Millionen Menschen wegen einigen Neuinfektionen unter strengen Hausarrest gestellt worden, aber sei’s drum – das dritte Ziel ist am heutigen Freitag erreicht worden: Der Volkskongress findet statt.

3.000 Delegierte aus allen 31 Provinzen sowie aus den autonomen Regionen treffen sich für sieben Tage unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und Gesundheitsvorschriften in Peking, um über die Zukunft des Landes zu tagen. Primär geht es dabei um die Innenpolitik. Damit die Großveranstaltung in der Großen Halle des Volkes in Peking möglich werden konnte, hatte man in den vergangenen Wochen auch einen Cordon sanitaire um die Hauptstadt gelegt: Flüge wurden in umliegende Provinzflughäfen umgeleitet, wo sich die Passagiere einem Corona-Test unterziehen und auch bei negativen Ergebnis zwei Wochen in strikte Quarantäne begeben mussten. So gelang es, die Hauptstadt frei von Neuinfektionen zu halten.

Womöglich kein BIP-Ziel

Der Nationale Volkskongress ist die Großveranstaltung und Machtdemonstration der Kommunistischen Partei Chinas. Dass die eigentlich für März geplante Tagung wegen der Corona-Pandemie verschoben werden musste, war ein Novum und zeigte den Ernst der Situation. Vorgestellt wird quasi ein Fahrplan für das kommende Jahr: Gesetze, Vorhaben, aber vor allem Zahlen. Die heilige Zahl im Staat ist die Wachstumsrate des BIP – über diese wird im Vorfeld spekuliert, gemunkelt und geraten. Das ist auch dieses Jahr so. Allerdings ist allen Beteiligten klar, dass dieser Wert wegen der Krise so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht ausfallen wird und auch das ausgegebene Ziel von sechs Prozent nicht erreicht werden kann. Weil die Partei ihre Legitimation aber vom Wachstum abhängig macht, wurde dieses Jahr schon der Verdacht geäußert, es könnte gar keine Zahl geben.

"Wenn keinerlei Ziel gesetzt würde, wäre das ein Novum", sagt Nis Grünberg vom Mercator-Institut für China-Studien (Merics) in Berlin. "Es ist durchaus möglich, dass Peking starkes Selbstvertrauen signalisieren will und einen Wert nennt. Dieser dürfte jedoch nicht bei den bislang angepeilten sechs, sondern eher bei drei Prozent liegen."

Mehr Geld für das Militär, Hongkong-Härte

Immerhin kann sich die Partei dann immer noch damit brüsten, dass wohl kein anderes Industrieland der Welt einen solch hohen Wert erreichen wird. Erwartet wird zudem, dass einige neue Gesetze zum Umgang mit Epidemien beschlossen sowie Reformen im Gesundheitssektor stattfinden werden. Dem chinesischen Volk soll dabei signalisiert werden: Wir haben die Lage unter Kontrolle.

Zwar gibt sich die chinesische Führung wie immer selbstbewusst nach innen und aggressiv nach außen – vielen chinesischen Bürgern wurde aber gerade in der Anfangsphase der Pandemie deutlich, woran das Krisenmanagement krankt: Informationen wurden vertuscht, Kritiker mundtot gemacht. Dafür gilt als sicher, dass das Militärbudget dieses Jahr wieder wachsen wird. Die Volksbefreiungsarmee will das Budget mindestens um den Vorjahreswert von 7,5 Prozent erhöhen.

Zudem wurden schon am Donnerstag Pläne für ein Sicherheitsgesetz für Hongkong verlautbart, das laut Kritikern bürgerliche Freiheiten einschränken soll. Neue Proteste in der Sonderverwaltungszone gelten als wahrscheinlich. (Philipp Mattheis, 21.5.2020)