Insgesamt konnte die Ages bisher 268 Cluster nachweisen.

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Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) zeigte sich besorgt: Man wisse zwar nicht genau, wie viele es seien, aber jedenfalls gebe es "signifikant" viele Corona-Infektionsfälle in Wiener Flüchtlingsheimen. Das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) teilt auf STANDARD-Anfrage mit: Von 1.131 Tests in Flüchtlingsheimen waren bisher 46 positiv. Davon konnten wiederum 38 dem Cluster "Post/Leiharbeit" (auch bekannt als "Wien/Niederösterreich-Cluster") zugeordnet werden. Diese Information lasse man auch dem zuständigen Gesundheitsministerium wie gewohnt zukommen.

Im Zusammenhang mit diesem Cluster stellte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) immer wieder in den Raum, dass Informationen vorlägen, dass Mitarbeiter der Postverteilerzentren in Hagenbrunn und Inzersdorf ihre Quarantäne verließen, um in die Arbeit zu gehen. Das Landeskriminalamt prüft einen Anfangsverdacht.

Theoretische Szenarien

"Ein solcher Fall ist dem medizinischen Krisenstab nicht bekannt", sagt ein Hacker-Sprecher dazu. Bei der Landessanitätsdirektion Niederösterreich könne man dazu "keine Angaben" machen, da es sich "um ein laufendes Verfahren" handle. Die angesprochenen Personen würden in Wiener Zuständigkeit fallen. Man betone aber, dass die Zusammenarbeit mit Wien auf fachlicher Ebene "hervorragend" funktioniere, man befinde sich "in ständigem Austausch und Kontakt."

Bei der Post weiß man ebenfalls von keinem Vorfall. Es gäbe aber zwei theoretische Szenarien, sagt ein Sprecher. Erstens: Die Mitarbeiter seien zur Arbeit gekommen, noch bevor der behördliche Quarantäne-Bescheid zugestellt wurde. Auch im Büro von Hacker denkt man über dieses theoretische Szenario nach: Nachdem eine Screening-Testung einer Einrichtung amtswegig durchgeführt werde (und nicht etwa auf einen Anruf bei 1450 hin), bestehe keine Isolationspflicht, bevor das Ergebnis da ist. Es könne also sein, dass eine Person zur Arbeit gegangen sei, noch bevor der Befund vorgelegen ist. Dies wäre keine rechtswidrige Missachtung der Quarantäne.

Prekäre Arbeitsbedingungen

Zweitens, so der Post-Sprecher: Der Quarantäne-Bescheid sei nicht weitergemeldet worden. Falls sich herausstellen sollte, dass es diesbezüglich vonseiten der Leiharbeitsfirmen, mit denen man zusammenarbeite, Verfehlungen gegeben habe, werde man "Konsequenzen ziehen". Mit insgesamt 16 solcher Leiharbeitsfirmen arbeitet die Post bundesweit zusammen, "eine Handvoll Firmen" seien in Hagenbrunn und Inzersdorf tätig. Welche genau, wolle man nicht nennen. Mittlerweile werden in den Zentren aber Eingangskontrollen durchgeführt, es könne also niemand einfach "vorbeispazieren."

Sowohl die Wiener Stadtregierung als auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kündigten an, sich das Thema prekäre Arbeit und Infektionsrisiko genauer ansehen zu wollen. In Wien geht man offenbar nicht von einzelnen Verfehlungen als Ursache aus, sondern vermutet ein systematisches Problem im Bereich prekäre Arbeit. Arbeiter würden teils auf engem Raum untergebracht oder in Bussen zur Arbeitsstelle gebracht. In diese Richtung soll auch die Cluster-Spurensuche weitergehen, hieß es.

Die Postgewerkschaft hingegen forderte, abseits von Spitzenzeiten generell weniger auf Leiharbeit und mehr auf den Aufbau von Eigenpersonal zu setzen. "Wir haben gesehen, dass es mit Leiharbeitsfirmen nicht geht. Wir sehen ja die prekären Arbeitsverhältnisse dort", sagte Helmut Köstinger, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF), zur APA. Als Gewerkschaft müsse man diesen Unternehmen "verstärkt draufsteigen. Das werden wir jetzt auch machen." (Vanessa Gaigg, 21.5.2020)